Originaltitel: EL INCONVENIENTE
Spanien 2022, 94 min
FSK 6
Verleih: 24 Bilder
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Juana Acosta, Kiti Manver, Carlos Areces, Daniel Grao, José Sacristán
Regie: Bernabé Rico
Kinostart: 07.07.22
Grammatikalisch unbeleckte Sprücheklopfer ahnen: Alkohol und Nikotin rafft die halbe Menschheit hin. Hingegen dient beides der überlebenden Hälfte im Einzelfall wohl zur Konservierung. Darunter der trinkfesten Kettenraucherin Lola (74), welche zwar sogar nach drei Bypässen dem feschen Namen Ehre macht, jedoch die Endlichkeit jeder Existenz kennt, daher Fastvierzigerin Sara ihre (abgesehen von scheußlichen Tapeten) tolle Wohnung verkauft. Und diese trotzdem erst Füße voran zu verlassen gedenkt, dauert also noch.
Sara akzeptiert’s, das Schnäppchen gewinnt eh an Wert. Zeit, tagsüber im Versicherungssektor zu kommandieren und sich abends bei den Schwiegereltern oder auf Ausstellungen à la „Hymen und Sühne“ zu langweilen. Müde zieht das wörtlich zu verstehende Dasein vorbei, bis Lola solche Verschwendung unterbindet. Denn natürlich steckt in unserer aus ärztlicher Sicht personifizierten Unvernunft Vitalität für Zwei, die – im Gegensatz zur Taille, Lolas eigene Expertise – nicht auf dem Weg verlorenging. Und daran ändern auch postmenopausale Hitzewallungen, im Dreierpack auftretend Böses verheißende Komplimente oder seit 30 Jahren unbegradigte Fehler nix. Allein die Einsamkeit nagt oft ziemlich arg, das Lied kann Sara ja mitsingen.
Da streicheln sich zwei Kratzbürsten wechselseitig die Seelen (und massieren unsere gleich dazu) und gerät offen ausgetragenes Scharren spitzer Zungen zum vorübergehend schönsten je vernommenen Geräusch, „Verschlagenes Miststück!“ zur Liebeserklärung. Kodderschnauze eliminiert Kitsch, Emotionen transportieren sich ganz selbstständig, es braucht keine Erläuterungen, keine Inszenierungsspielereien. Bloß jene beiden wundervollen Aktricen, zuweilen unterstützendes männliches Personal, stichwortgebende Projektionsflächen fürs weibliche Talent. Ein Herr darf immerhin sehnsüchtig singen und einen hübschen Running Gag verantworten, das Damenduo erlaubt’s in nachsichtiger Großzügigkeit. Weniger gütig agiert indes Kollegin Schicksal: Wenn Lola, das eigentlich unangreifbare humane Bollwerk, kurz vor Ende darob schließlich erstmals weint, tut sie es – klar – nicht um sich. Sondern darüber, daß wahre Freunde neben 100 Quadratmetern weitläufiger Nutzfläche manchmal einen heimelig eingerichteten Schrank teilen; teilen müssen. Echt unfair. Und berührend.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...