Wie weit würde ein Regisseur gehen, um seine Vision einer kranken Gesellschaft für das Publikum sichtbar zu machen? Takashi Miike geht weiter, als dem Zuschauer lieb sein kann. Er walzt eingefahrene Tabus des Kinos so sorglos nieder, daß schließlich nur noch ein krudes Episodenskelett zurückbleibt. Welches sich nicht ohne weiteres wiedergeben läßt.
Ein erfolgloser Journalist ist mit digitaler Kamera auf der Suche nach der verlorenen Jugend Japans. Er findet sie in seiner eigenen Familie. Seine Tochter geht auf den Strich, der Sohn verprügelt die Mutter, welche wiederum fixt und fremdgeht. Ein Besucher tritt in das kranke Familienleben, schlägt Herrn Papa mit einem Pflasterstein auf den Kopf. Der auf diese Weise eingeläutete Denkprozeß und die Anwesenheit des Gastes, des VISITOR Q, setzt eine Eskalation im abstrusen Familiengeflecht in Gang.
Nekrophilie, Muttermilch-Fetisch, Splatter - auf den ersten Blick würde sich VISITOR Q ohne Weiteres in die verwinkelte Schmuddelecke der Videothek unseres Vertrauens einreihen. Das Konzept weckt Zweifel - keine Pornographie, kein sinnloses Schlachten? Auch die stilsichere Umsetzung und der sachliche Blick auf die noch so sonderbare Szenerie nährt den Verdacht, daß es Takashi Miike nicht auf Ekel und Sensation ankommt.
In der perfiden Ästhetik eines naiven Homevideos fängt er Metaphern für eine ungesunde Gesellschaft ein, auf dem besten Weg zur Selbstzerstörung. Zwingend dabei die drastische Überhöhung, nur so kann die Satire greifbar werden. Doch genau darin liegt auch das schizophrene Problem von VISITOR Q: Um sie anzuprangern, muß er die Abgründe visualisieren und spürbar machen, doch ohne ihnen Faszination zu verleihen. Filmisch führt dieses Paradoxon zu einer ganz eigenen finalen Lösung.
So bleibt den mutigen Zuschauern eine finstere Satire, die es wert ist, ertragen zu werden.
Originaltitel: VISITOR Q
J 2000, 87 min
Verleih: REM
Genre: Schräg, Satire
Darsteller: Kenichi Endo, Shungiku Uchida, Kazushi Watanabe
Regie: Takashi Miike
Kinostart: 29.11.01
[ Roman Klink ]