Originaltitel: VITALINA VARELA
Portugal 2019, 124 min
Verleih: Grandfilm
Genre: Drama
Darsteller: Vitalina Varela, Manuel Tavares Almeida
Regie: Pedro Costa
Kinostart: 17.09.20
Die Witwe flüstert im verdunkelten Haus ihres Mannes: „Hätte ich auf Portugiesisch zu Dir gesprochen, hättest Du mir dann geantwortet?“ Sie spricht kapverdisches Kreol, die Sprache, die sie einst gemeinsam hatten, als sie sich in der Heimat mit eigenen Händen ein Haus bauten. Doch dann ging er nach Portugal, der einstigen Kolonialmacht, und verlor sich. 20 Jahre wartete Vitalina auf ein Ticket nach Lissabon. Nun ist sie da, doch ihr Mann ist tot. Das Haus im Armenviertel Fontaínhas: undicht und kaum wert, ein Haus genannt zu werden.
Der Flüsterton bestimmt die gesamte Handlung, die eher einem inneren Monolog gleicht, und sich in einer Langsamkeit entfaltet, an die man sich gewöhnen muß wie an die Dunkelheit. Menschen aus dem Viertel erscheinen, um zu kondolieren, verlorene Existenzen, die wie Schatten durch ein in sich geschlossenes Labyrinth schleichen. Und Vitalina tastet sich durch die Dunkelheit vorwärts, um zu verstehen, was mit ihrem Mann passiert ist und wo sie selbst sich gerade befindet. Endlich in Lissabon angekommen, scheint sie heimatlos geworden zu sein.
VITALINA VARELA steht für ein Kino, das mehr Malerei als Erzählung ist. Es herrscht ewige Nacht in diesem inneren Fontaínhas, in dem die kunstvoll arrangierten Tableaus wie spärlicher Fackelschein aus der Dunkelheit aufflackern. Wie bei einem Wachs-Kratzbild kommen teils expressive Farben zum Vorschein. Und in ihnen lebt Vitalina. Das charakterstarke Gesicht der gleichnamigen Hauptdarstellerin, von der Kamera immer wieder aufs Neue gezeichnet und umrahmt, bleibt nach dem Film noch lange auf der Netzhaut. In Locarno brachte das den Goldenen Leoparden.
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...