Originaltitel: VIVA
Irland/Kuba 2015, 100 min
FSK 12
Verleih: Salzgeber
Genre: Drama
Darsteller: Jorge Perrugoria, Héctor Medina
Regie: Paddy Breathnach
Kinostart: 08.12.16
Havanna – das ist die malerische Tristesse einer Stadt, in der die Zeit irgendwie auf der Stelle zu treten scheint; gekleidet in jene eigentümliche Atmosphäre, die sich jetzt auch in VIVA bewundern läßt. Agonie als Idyll, Armut als Anmut. Die alten, amerikanischen Straßenkreuzer, das weite Meer, das ewig majestätische Licht über den bröckelnden Hausfassaden – und zwischen diesen eine erstaunliche Ballung gutaussehender Menschen.
Jesús ist einer von ihnen. 18 Jahre, Halbwaise und schwul. Sein Geld verdient Jesús als Friseur für ältere Damen aus der Nachbarschaft, manchmal auch als Stricher. Lebensunterhalt für ein Leben, das noch nicht richtig losgegangen ist und schon wie in einer Sackgasse scheint. Wäre da nicht diese Travestie-Bar samt ihrem exaltierten Haufen Dragqueens, die Jesús, ganz der begabte Coiffeur, für ihre Auftritte frisiert. Dabei selbst davon träumend, einmal singend auf der Bühne zu stehen. Ein Traum, dessen Erfüllung gar nicht so abwegig ist – wäre da nicht Jesús´ Vater Angel, der eines plötzlichen Tages in sein Leben platzt. Ein bulliger Kerl, ein Macho, Schläger und Knastbruder, der die Familie verließ, als Jesús drei Jahre war. Fremder könnten sich Sohn und Vater, harscher die Gegensätze zwischen ihnen kaum sein. Und doch geschieht so etwas wie eine Annäherung. Eine, für die die Zeit allerdings verdammt kurz ist – Angel nämlich ist ein todkranker Mann.
In gewisser Weise ist Havanna eine heimtückische Stadt. Sie verlockt zum Blick auf eine Realität, die diesen Blick zugleich blendet, weil sie sich verbirgt hinter einem Schleier aus Schönheit und in einer Atmosphäre, die elegisch und vital zugleich wirkt. Und schaut man sich jetzt VIVA an, spürt man immer wieder das Bemühen, diesen Schleier im Namen des erzählerischen Realismus’ zu zerreißen. Was dem irischen Regisseur Paddy Breathnach indes mit eher zwiespältigem Erfolg gelingt.
Als wäre es ihm unangenehm, das melodramatische Potential dieser Geschichte melodramatisch auszureizen, zwingt sich Breathnach immer wieder zu einem Gestus des stillen Beobachtens. Wogegen freilich nichts einzuwenden ist, zumal sich dem immer wieder starke Szenen verdanken. Zugleich aber wirkt das wie eine Selbstbeschneidung oder mindestens Selbstdisziplinierung. Ein Hemmnis, von dem sich der Film erst im Finale emanzipiert. Mit einer Szene, die wie erlöst emotional melodramatisch brandet. Und in der sich nicht zuletzt die Künstlichkeit, die Kostümierung, der Schleier als Formen des Authentischen offenbaren.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.