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Vive la Provence – Ein Jahr in Espigoule

Urkomische Doku-Soap im Vivaldi-Rhythmus

Um diese Darsteller werden den Regisseur Christian Philibert viele Kollegen beneiden - unverkrampfte, verspielte, kluge, komische und ernste Leute, die seine allgegenwärtige Kamera kaum noch bemerken. Gefunden hat er sie allesamt in einem Dorf in der Provence, der malerischen Gegend, in der Philibert seine Kindheit verbrachte und die seine bisherigen Arbeiten prägte. Zwischen dokumentierten und gestellten Szenen vermag man kaum zu unterscheiden, ist doch alles, was hier geschieht irgendwie verrückt und verständlich zugleich. Philibert will keinen authentischen Einblick in provenzalisches Landleben vermitteln, sondern hat aus über dreißig Stunden Material eine wundervolle Schildbürgerkomödie destilliert, die vor Lausbubencharme nur so strotzt. Was er mit seiner unaufdringlichen Kamera und in schlichten Einstellungen eingefangen hat, wird in der Folge der vier Jahreszeiten, vom Herbst bis zum Sommer des kommenden Jahres, erzählt.

Wie das so ist auf dem Lande, werden die Probleme der nationalen Wirtschaft, die letzten Fußballergebnisse und allerhand zentrale Fragen der Philosophie, Religion und Geschichte im ersten Haus am Platz - der Dorfkneipe - diskutiert. Hier ist umfangreiches Allgemeinwissen gefragt, um zu klären, ob es Hähne mit Uhren gibt, oder warum im Laufe der Zeitrechnung nach Christi ein ganzes Jahr spurlos verschwunden ist. Die Kontraste sind herbe: eben noch in ernste Gespräche vertieft, ist man im nächsten Moment dabei, einem alten Mann am Nachbartisch mit Draht und Kraft den letzten verbliebenen Zahn zu ziehen. Überhaupt benimmt sich der männliche Teil der Bevölkerung die meiste Zeit wie auf dem Kindergeburtstag - singend, tanzend und manchmal auch kostümiert spielen sie sich Streiche. Letzte Bastion gegen die Unvernunft ist der Dichter des Örtchens. Aber seine lyrischen Ergüsse werden nur selten mit Beifall belohnt, bringt er sie doch ungefragt und selbst im unpassendsten Augenblick zu Gehör.

[ Sylvia Görke ]