Drei Frauen auf einer Reise vom Vorstadtmief Köln-Pulheims in die Metropole Rotterdam, ob zufällige oder schicksalhafte Begegnungen, die Handlung in Angelina Maccarones neuem Film liegt kaum im Äußeren, in der Action, vielmehr gilt es, das Innere ihrer Protagonisten zu entdecken. Nach FREMDE HAUT und zuletzt VERFOLGT ist VIVERE dennoch ein Roadmovie, eines, das eben nur offensichtlicher als andere Genrevertreter, das Seelenleben der Figuren ins Zentrum rückt. Die Regisseurin verzichtet auf eine stringente Erzählung, gleichsam auf eine Linearität der Bewegung, und erzählt in drei, ineinander verschränkten Kapiteln.
Das erste gilt Francesca, die Taxi fährt, den Haushalt schmeißt und sich um den Vater und die jüngere Schwester Antonietta kümmert, seitdem die Mutter die Familie vor Jahren verlassen hat. Als Antonietta, ihr ist später das dritte Kapitel gewidmet, am heiligen Abend mit ihrem Freund nach Rotterdam durchbrennt, muß Francesca auf Geheiß des Vaters aufbrechen, sie zu suchen. Auf dem Weg durch die Nacht, begegnet sie der 60jährigen Gerlinde, einer Frau, gefangen in einer schmerzhaften Liebesbeziehung, die letzthin nicht nur in der Erzählstruktur zwischen den Geschichten der Schwestern vermittelt.
Mit Varianten der Narration, nur die Handlungszeit ist die gleiche, zeichnet Maccarone die unterschiedlichen Blickwinkel, Beweggründe und Emotionen der Figuren nach. Judith Kaufmann an der Kamera sucht hierfür eine Entsprechung in der Bildsprache, wobei von Francescas eingeengter Welt in zunächst fast klaustrophobisch anmutenden Bildern erzählt wird, die der Gerlinde fast statisch auf Einsamkeit beharren und das des ausbrechenden, Orientierung suchenden Teenagers endlich auch mit Totalen arbeitet. Ein so schlüssiges Konzept stören Szenen mit gestelzt wirkenden und redundanten Dialogen, wenngleich diese am Ende im Sinne der Wahrnehmung der Figuren interpretierbar sind.
Schade ist auch das Beharren darauf, die Fragmente mit Wiederholungen einzelner Sätze zu koppeln. Eine Aussage wie die, daß ...früher oder später alles vorüber ist wird dadurch schnell überstrapaziert. Diese Betonung des künstlerischen Konzepts trägt hier dazu bei, die Wahrnehmung des Films als sensibles Porträt dreier Frauen an einem vielleicht entscheidenden Wendepunkt ihres Lebens abzuschwächen.
D 2006, 93 min
Verleih: Stardust
Genre: Drama
Darsteller: Hannelore Elsner, Esther Zimmering, Kim Schnitzer
Stab:
Regie: Angelina Maccarone
Drehbuch: Angelina Maccarone
Kinostart: 08.11.07
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.