Originaltitel: VOLVER
Spanien 2006, 120 min
Verleih: Tobis
Genre: Tragikomödie, Schwul-Lesbisch
Darsteller: Penélope Cruz, Carmen Maura, Lola Dueñas, Blanca Portillo
Regie: Pedro Almodóvar
Kinostart: 03.08.06
Kurzgedacht: An dieser Stelle könnte durchaus ein Leertext stehen, ein schweigend hymnischer quasi, denn es wäre ja ein Leertext zum neuesten Film eines Mannes, zu dem wenig gesagt und geschrieben werden muß. Derartige Qualität im modernen europäischen Kino hat nur einen Namen, und auf diesen ist mal wieder Verlaß: Pedro Almodóvar. Es wäre aber falsch und töricht, an Stelle eines Lobliedes auf eine der schönsten Kinogeschichten auf besagten Leertext zurückzugreifen, denn dies implizierte, daß Almodóvar zwar wieder gut, aber nicht überraschend wäre. Und deshalb setzt hier nun der richtige Text zu einem richtigen Film an.
Schon das erste Bild, in dem einfache Frauen die Gräber ihrer Männer (und auch schon die eigenen, vorsorglich bestellten Ruhestätten) feudeln, pflegen und auf morbiden Glanz trimmen, ist ein typisches Almodóvar-Bild. Unter den Klängen des alten bezirzenden Schlagers "La Rosa del Azafrán" geht der Wind auf, dieser staubtrockene Ostwind, der in der Region La Mancha den eigenwilligen Menschen den Verstand raubt, der sie bisweilen auch an Geister glauben läßt. Dafür hat die schöne, emanzipierte Raimunda allerdings wenig übrig. Kernig genug, übernimmt sie das Restaurant eines Nachbarn, in dessen Hinterzimmer sie aber schon bald ein tiefgekühltes Geheimnis hütet: der verschiedene Gatte, erstochen von ihrer Tochter, als der sich ihr alkoholvernebelt unsittlich näherte. Raimunda steht der jungen Paula bei, sie entsorgt den Toten auf ihre Art. Es ist beileibe nicht der erste Verlust. Raimunda und ihre Schwester Soledad verloren ihre Eltern vor wenigen Jahren bei einem Brand. Und jetzt spielt der Verstand raubende Wind wieder eine Rolle, denn die Alten im Dorf wollen den Geist Irenes, also der verstorbenen Mutter, gesehen haben. Raimunda winkt ab. Und Sole, die große Schwester? Sie trifft auf ihre Mutter ...
Almodóvar sagt es selbst, daß sich seine Filme immer schwerer beschreiben lassen, was richtig und dabei ganz wunderbar ist, weil seine aufwühlenden Beobachtungen über Schuld, Vergebung und Passion klug, komplex und dabei eher erleb-/fühlbar als beschreibbar sind. Was diesen Film so herausragend macht, ist seine ausgelebte Lust an einer gottgegebenen Weiblichkeit: Almodóvar besäuft sich genüßlich an zelebrierend gefilmten Dekolletés, kämpferischen Augen, kräftigen Hintern, in Strömen fließenden Tränen, weiblicher Kraft und Schönheit, am resoluten, hadernden, am selbstbestimmenden, am mütterlichen Weib. Und da hat er mit Penélope Cruz als Raimunda auch genau die richtige Heldin gefunden: sie, merklich gereift, spielt wie noch nie. Sie wird als explosive Mischung neapolitanischer Schönheiten à la Loren und Magnani (der im Film gar ein kleiner szenischer Altar eingerichtet wird) inszeniert, ohne deren Hysterie zu übernehmen. Sie ist zwar stark, eigenwillig, selbstbewußt - aber auch verletzbar. Und all das gibt die Cruz eben wie nie zuvor wieder. Mittlerweile ist sie etwas älter geworden, einfach fraulicher, auch schön - in zehn Jahren wird sie wohl einzigartig sein.
Noch ein, zwei Gedanken zu Almodóvar selbst: auch wenn bei ihm alles perfektioniert scheint, dieses unglaubliche Zusammenwirken von Bild, Montage, Spiel und der immer wieder verführerischen Musik Alberto Iglesias, gerät er nie zu einem Manieristen, einem eitlen Gecken, der alles kann, alles weiß und dies nur noch vorführt. Almodóvar ist eben ein wahrer Könner, er leistet sich weder beim Licht, noch im Schnitt und gleich gar nicht dramaturgisch irgendwelche Patzer. Damit steht er neben Ozon aktuell ziemlich allein auf weiter Filmemacherflur.
San Pedros größte Gabe aber scheint die Liebe zu sein. Die Liebe zu melodramatischen Geschichten, zu kämpferischen Charakteren, zur satten Schönheit. Und diese Liebe muß ihn einfach immer wieder zur Weiblichkeit führen. Im Umfeld von Cannes gefallene Bezeichnungen wie die vom Frauenversteher sind absurd, da oberflächlich, vielleicht auch nur Unsicherheit offenbarend. Almodóvar ist kein Schmeichler, er ist ein Freund. Quasi ein vom Bürgerschreck zum Apologeten des Schönen Gewandelter. Über die Gabe der Liebe hat er mit seinem nunmehr 18. Film auch endgültig zu "seiner" Farbe gefunden. Rot selbstverständlich, das in diesem unvergleichbaren und manchmal so entzückend märchenhaften Kinotraum in unverschämter Knalligkeit omnipräsent ist: Tomaten, Handtasche, Auto, Paprika, Lippen und Blut.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.