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Von Bananenbäumen träumen

Das Schicksal in der Hand

Die Bewohner der norddeutschen Tiefebene werden oft als bodenständig mit einem Hang zum Dickschädel beschrieben. Lust an der Innovation und Experimentierfreude gilt nicht als typische Charaktereigenschaft. Mit diesem Film wird deutlich, daß diese Stereotype getrost in die Tonne wandern können. Denn die Bewohner des niedersächsischen Oberndorf sind anders als jedes Klischee. Sie trauen sich – trotz Landflucht, finanzieller Nöte und der drohenden Schließung der örtlichen Grundschule – zu träumen und ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen.

Die Hamburger Filmemacherin Antje Hubert hat die Dorfgemeinschaft dabei über drei Jahre lang filmisch begleitet. Sie dokumentiert die Schulschließung gegen den Widerstand der Bevölkerung, und sie filmt den Moment, in dem die Bewohner beginnen, mit Unterstützung einer Berliner Projektentwicklungsagentur ihre Gegenstrategie zu entwickeln. Statt weiterhin mit viel Herzblut kleine Projekte zu entwickeln, die ohne Fördermittel nicht lange überleben können, entscheidet sich das Kollektiv, die Sache richtig in die Hand zu nehmen. Es gründet eine Aktiengesellschaft und formulieren ein gewagtes Geschäftsmodell, das auf Gülle, afrikanischen Welsen und Bananenbäumen basiert. Das eine ist im Viehzuchtgebiet Niedersachen im Überfluß vorhanden, das andere muß normalerweise teuer importiert werden. Die Oberndorfer denken beides zusammen und bauen eine 100%-Gülle-Biogas-Anlage, die Strom produziert, und mit deren Abwasser das Wasser der Fischtanks beheizt werden kann. In der Wärme der Fischzuchthalle können schließlich noch Bananenbäume wachsen. Ein geschlossener Kreislauf, dessen Bestandteile so ungewöhnlich wie genial sind.

Tatsächlich gelingt es den Oberndorfern mit der bereits angesprochenen Dickschädeligkeit, Banken und Investoren zu überzeugen. Antje Hubert zeigt auf sensible und sehr sehenswerte Weise, wie eine zündende Idee Menschen elektrisieren kann, und wie die Erfahrung des gemeinsamen Tuns hilft, auch in schwierigen Momenten den nächsten Schritt zu wagen. Erstaunlich offen sprechen die Protagonisten über ihre persönlichen Ängste, aber auch die große Freude über das gemeinsame Projekt. Und am Ende des Films fragt man sich unwillkürlich, welche eigenen Träume eigentlich noch auch ihre Verwirklichung warten. Ein perfekter „Mach’ mit, mach’s nach, mach’s besser!“-Film mit Langzeitwirkung.

D 2016, 92 min
FSK 0
Verleih: imFilm

Genre: Dokumentation

Regie: Antje Hubert

Kinostart: 30.03.17

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.