Voodoo-Zeremonien haben eine große Anziehungskraft für Filmemacher. Der französische Ethnologe Jean Rouch filmte in den 50er Jahren Zeremonien in Westafrika. Sein Werk LES MAITRES FOUS dokumentiert Szenen voller Tieropfer, Trance und wilder Tänze. Rouch war ein Pionier des Dokumentarfilms. Er nahm die Kamera in die Hand und begab sich mitten ins Geschehen. Eher Cinema verité als objektive Beobachtung. Rouch verstand sich immer als Teilnehmer dessen, was er filmte. Später, im Kommentar, reflektierte er dann darüber, inwieweit er als Außenstehender überhaupt einen tatsächlichen Einblick in diese fremden Welten erhaschen kann. Dabei stand der Zweifel an der dokumentarischen (und ebenso der wissenschaftlichen) Objektivität im Mittelpunkt.
Auch Regisseur Henning Christoph ist Ethnologe und hat mit VOODOO einen Film gedreht, mit dem er die magischen Zeremonien, wie er selbst sagt, nicht erklären, sondern „nur“ dokumentieren will. An diesem Anspruch scheitert er doppelt. Erstens unterbricht er den Strom der Bilder ständig mit scheinbar akademisch verifizierten Erklärungen in Form von Texttafeln, gleichzeitig greift er als Regisseur ganz massiv in das ein, was er „nur“ dokumentieren wollte, indem er eine junge Protagonistin auswählt, die eine Art Voodoo-Tourismus betreibt, dadurch an diversen Ritualen in verschiedenen Teilen Afrikas teilnimmt und den Zuschauer auf diese Weise durch den Film führt. Ein dramaturgischer Kunstgriff, der einen ganz massiven Eingriff in das „echte“ Leben darstellt.
All das wäre nicht so dramatisch, wenn Christoph sein eigenes Tun reflektieren würde, wie es Jean Rouch und nach ihm viele andere getan haben. Leider findet diese Reflexion in VOODOO keinen Platz, und das ist schade, denn tatsächlich hat Christoph eine große Fülle von spannendem Material zusammengetragen, das allerdings recht uninspiriert montiert und vor allem kaum hinterfragt wird. Was passiert, wenn unser westlicher Blick auf blutige Opferrituale mit Ziegen und Hühnern fällt? Was fühlen wir, wenn wir – mit unserer westlichen Sozialisation – dabei zusehen, wie Priester Frauen und Jugendliche demütigen und als Zeremonienmeister alle anderen in Schach halten?
VOODOO ist ein Film, der diese Fragen und die Tatsache, daß es vor ihm schon andere gab, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, komplett außen vor läßt. Was zu bedauern ist, denn genau das sind die Punkte, die eine nähere Betrachtung verdient hätten.
D 2009, 70 min
Verleih: Alamode
Genre: Dokumentation
Regie: Henning Christoph
Kinostart: 29.07.10
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.