Originaltitel: KHIBULA
Georgien/D/F/Tschechien 2017, 99 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama, Polit
Darsteller: Hossein Mahjoob, Kishvard Manvelishvili, Nodar Dzidziguri
Regie: George Ovashvili
Kinostart: 29.03.18
Es ist offensichtlich, daß er nicht auf die Reise vorbereitet war: In Schlips, weißem Hemd und mit der Aktentasche in der Hand stapft der Präsident durch die schneebedeckten Berge Georgiens. Hinter ihm seine Anhänger. Ein Putsch hat den Staatsoberen gezwungen, seinen Amtssessel zu verlassen. Das neue Regime ist ihm auf den Fersen. Und so schlängeln sich die weißhaarigen bewaffneten Männer schmale Bergpfade hinauf. Den Menschen, denen sie begegnen, bleibt nichts anderes übrig, als die Wandergruppe zu beherbergen. „Empfangen Sie Gäste?“, fragen sie mit hochgezogener Waffe und kehren ein in die armseligen dunklen Zimmer mit den niedrigen Decken und verfallenen Veranden.
Es ist ein Blick in Georgiens abgelegene Regionen und in eine männerdominierte Welt. Die zum Teil trinkfreudigen und mit Altherrenphantasien angereicherten (wohnt doch in jedem Haus eine junge, schöne Frau) Zusammenkünfte aber währen nie lange. Schnell wird die Nachricht überbracht, daß die Verfolger – wer auch immer sie sein mögen – ihnen schon dicht auf den Fersen sind, und so bricht die Altherrengruppe wieder auf. Denn das ist das Grundprinzip des Films: Namen und Orte werden nicht genannt. Die Handlungen und Dialoge sollen symbolisch sein – so jedenfalls formulierte es der georgische Regisseur George Ovashvili in einem Interview. Dabei machen doch Geschichte und Einführungstext unmißverständlich klar, daß es sich hier um Swiad Gamsachurdia handelt. Er wurde 1991 zum ersten Präsidenten Georgiens gewählt. Seine Amtszeit allerdings dauerte nur ein Jahr. Denn Gamsachurdia, der lange Zeit in der Opposition für die Unabhängigkeit seines Landes kämpfte, fuhr nach seiner Machtübernahme einen stark nationalistischen und diktatorischen Kurs, ging gegen Minderheiten hart vor und destabilisierte das Land politisch.
All das aber erfährt man im Film nicht direkt. Ovashvili beschränkt sich auf die rauhe Schönheit der Bergregion und auf einen melancholisch dreinblickenden Mann am Ende seiner Karriere. Dem Fußmarsch der alten Herren zu folgen, fordert ein wenig Geduld ein. Wenig passiert, trotzdem ist es von Reiz, der stoischen Haltung des Präsidenten beizuwohnen. Es fällt ihm einfach schwer, seinen Visionen, welche auch immer das waren, adé zu sagen. „Mein geliebtes Land“, singt das Bauernmädchen, „auch wenn die Gegenwart dich nicht schätzt, so gehört Dir doch die Zukunft.“ Am Ende zerschellen die Worte an den zerklüfteten Berghängen.
[ Claudia Euen ]