• Meinungen

Wader Wecker Vater Land

Von der Kraft des „Trotz alledem“

Zwei alte Männer stehen zusammen auf der Bühne und singen ihre Lieder. Das Publikum ist gemischt, man sieht viele graue Haare, aber auch Kinder und Jugendliche, die gemeinsam mit ihren Eltern zuhören und vor allem: mitsingen – textsicher bis zur letzten Strophe. Dieser Auftritt wäre vor 40 Jahren, als Konstantin Wecker und Hannes Wader auf dem Höhepunkt ihres Ruhms waren, undenkbar gewesen. Damals trennten die beiden Welten, obwohl sie beide als Stimme der Jugend und des Protests gegen das Establishment galten. Impulsiv, mit überbordendem südlichen Charme der eine, beherrscht, bedacht und sehr norddeutsch der andere.

Tatsächlich verkörpern die beiden Sänger stereotypisch die beiden Pole der westdeutschen Protestbewegung, die aufgeregte Suche nach Offenheit, Freizügigkeit und Bewußtseinserweiterung der Hippies und Aussteiger und die politisch korrekte Forschung nach dem richtigen Lebensweg, die nicht selten in doktrinären Flügelkämpfen und linker Selbstzerfleischung endete. Damals in den 70er Jahren fand der asketische Wader den barocken Wecker „alles andere als sympathisch“ – trotzdem stehen sie heute zusammen auf der Bühne, und aus der Spannung zwischen diesen unterschiedlichen Künstlern erwächst durchaus ein Mehrwert.

Diesen Mehrwert erkundet der junge Regisseur Rudi Gaul (Jahrgang 1982), indem er nicht nur die klassischen Interviews und Konzertaufnahmen montiert, sondern vor allem die großen und kleinen Reibungspunkte des Alltags im Blick behält. In dieser Hinsicht bietet sich ihm ein reiches Material, denn um zwei gealterte Alphamännchen wie Wader und Wecker erfolgreich gemeinsam auf eine Bühne zu stellen, ist eine ganze Menge Abstimmungsarbeit nötig.

Mit sicherem Blick gelingt es dem Regisseur, die kleinen Momente des Zögerns einzufangen, wenn einer merkt, daß der andere gerade in einem anderen Takt schwingt. Und es ist wirklich eine Freude, diesen beiden in Ehren ergrauten Männern dabei zusehen, wie sie den anderen so sein lassen, wie er ist. Hier haben sich zwei gefunden, die es niemals leicht miteinander haben werden, die aber die Herausforderung der Begegnung annehmen.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.