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Wagner & Me

Stephen Frys fulminanter Fanbrief

Wer noch nie in Bayreuth war, zu den Festspielen versteht sich, braucht nach diesem ungewöhnlichen Dokumentarfilm auch nicht mehr hingehen. Denn der dandyhafte Stephen Fry, beliebter britischer Schauspieler und Entertainer (OSCAR WILDE) und sein Regisseur Patrick McGrady vermitteln einem das komplette Bayreuth-Gefühl samt Wagner-Leidenschaft und historischem Unbehagen.

Aber von vorn: Erstmals im Leben pilgert der bekennende Wagner-Fan Fry an seinen ganz persönlichen heiligen Ort, und dort fühlt er sich wie im „Sweetshop.“ Angesichts echter Walküren und bahnbrechender Bühnentechnik, Architektur und Original-Wagnerhandschriften sowie Original-Wagnerhändedruck (wenn auch nur durch die Ur-Enkelin) gerät er heftig ins Schwärmen, auf seine charmant selbstironische Weise. Das ist schon mal große Unterhaltung. Aber all seine Begeisterung kann doch nicht ganz den Zweifel von ihm abschütteln, ob man denn das überhaupt darf: so hemmungslos wagnerianern. Schließlich muß er seine große Leidenschaft ausgerechnet mit einem kleinen, schnauzbärtigen Mann teilen: Adolf Hitler.

Wagners Antisemitismus, die auffallende Nähe der nationalsozialistischen Ideologie zur Wagnerschen Traumwelt und Bayreuths zweifelhafte Rolle während des Dritten Reiches werfen bis heute einen Schatten auf den Komponisten und seine Weihestätte. Fry, Enkel jüdischer Emigranten, dessen Familie zum Teil in Auschwitz ermordet wurde, sucht Hinweise darauf, daß er es doch darf und begibt sich auf die Spur Wagners und seines Geheimnisses. Unterwegs, in der Schweiz, in Sankt Petersburg, auf Schloß Neuschwanstein und in Nürnberg, trifft er Wissenschaftler und Musiker. Das ist aber nicht nur eine hübsche Einführung in Wagner, dessen Leben und Wirken, sondern gleichermaßen eine persönliche Reise. So hakt Fry auch bei der Cellistin und Auschwitzüberlebenden Anita Lasker-Wallfisch nach. Aber die gibt ihm ihren Segen für Bayreuth nicht. Das muß jeder mit sich ausmachen.

Keine Frage, daß Fry es mit sich ausmachen wird, und daß eine gehörige Portion Wagner-Musik dabei nicht fehlen darf. Ein Höhepunkt ist sicherlich, wenn er auf Wagners Originalflügel den berühmten Tristan-Akkord nachspielt. So viel Leidenschaft dürfte auch die Wagner-Skeptiker mitreißen. Ein origineller, gewissermaßen investigativer Musikdokumentarfilm, der sich wohltuend vom Einerlei der gängigen Erzeugnisse dieses Genres abhebt.

Originaltitel: WAGNER & ME

GB 2010, 89 min
FSK 0
Verleih: Film Kino Text

Genre: Dokumentation

Regie: Patrick McGrady

Kinostart: 21.06.12

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...