Originaltitel: WHERE THE TRUTH LIES

Kanada/GB/USA 2005, 108 min
Verleih: Concorde

Genre: Literaturverfilmung, Thriller, Erotik

Darsteller: Kevin Bacon, Colin Firth, Alison Lohman, David Hayman

Regie: Atom Egoyan

Kinostart: 09.02.06

Noch keine Bewertung

Wahre Lügen

Die Enthüllung alter Schwächen

Die Ambivalenz von Sein und Schein ist wohl der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Atom Egoyans Filme bringen lassen, so verschieden seine Geschichten auch sein mögen. Die Doppeldeutigkeit des Originaltitels schlug sich bei der Übertragung ins Deutsche in die Binsen, um zum Paradoxon zu werden. Ganz aus Versehen steht er damit jedoch sinnbildhaft für einen seltsamen Filmemacher.

Seine narrative Komplexität, die manchmal hart am Rande der heillosen Zerstreuung operiert, seine Underground-Attitüde, die oft allzu heftig mit plakativen, leicht konsumierbaren Bildern flirtet, seine Lust an einer schwülen Erotik, die auch vor abgegriffenen Perspektiven nicht halt macht, nicht zuletzt die mit Bedeutung aufgeladenen Themen und Motive, die unter dem eigenen Gewicht bisweilen hundemüde zu werden drohen. Egoyans Enthüllungsdrama nach einem Roman von Rupert Holmes ist nun die Probe aufs Exempel, die beispielhafte Weiterführung einer geteilten Sympathie. Etwas prätentiös, zuweilen jedoch überaus raffiniert, erzählt er vom Comedy-Duo Vince und Lanny, das in den USA der 50er zu Fernseh-Ruhm kommt und sich den Erfolg mit Geld, Hummer und leichten Mädchen entlohnen läßt. Unzertrennlich waren sie, bis ein Mord ihre beruflichen und freundschaftlichen Verbindungen löste: eine rauschhafte, sexgeschwängerte Nacht, ein totes Mädchen am Morgen danach.

Kevin Bacon und Colin Firth, die sich in ihren bisherigen Rollen bis zur Unkenntlichkeit durch Genres, Ansprüche und Klischees prügeln ließen, wachsen hier in jeder Hinsicht über sich hinaus. Doch das kleine Schauspielwunder verbirgt sich in einer unaufgeräumten Tüte aus liederlich organisierten Zeitsprüngen in die 70er Jahre, in denen die Journalistin Karen dem Geheimnis jener Nacht - das so tatsächlich niemand erahnen konnte - auf die Spur kommen will. Sie ist der erotische wie intellektuelle Sprengstoff, mit dem all die Lügen und Mißverständnisse auffliegen sollen. Doch sie ist auch das schwächste Glied in der filmischen Konstruktion: eine blasse, verwechselbare, hausbackene Alison Lohman, die sich als femme fatale aufspielt. Bei all seinen alten Schwächen, die Egoyan mit einigem Stolz nach außen trägt - die Unkonzentriertheit, die Schwüle, die verbrauchten Bilder - wird man ihm diese wohl am wenigsten verzeihen.

[ Sylvia Görke ]