In diesem Film hatte Brigitte Mira den letzten Auftritt vor ihrem Tod: ganz ungewohnt als Nebenfigur, als am Rande Befragte, eine der wenigen Frauen, die - das gibt sie augenzwinkernd zu - Max Hansen nicht umworben hat. Und ganz sicher auch als eine der wenigen, die sich noch an ihn erinnern können: Er war der Leopold der 1930er Verfilmung des "Weißen Rössel", er war der kesse Interpret des titelgebenden Liedes, in dem ein Herr Hitler einen Herrn Cohn um seine Zuneigung bittet ...
Regisseur Douglas Wolfsperger hat Hansen vor dem Filmprojekt, das er als Erbe des verstorbenen Autors Michael Lentz antrat, nicht gekannt. Und doch ist er genau der Richtige, um dem geborenen Halbdänen und Halbjuden Max Haller, der hier wegen Todes entschuldigt ist - er starb 1961 - eine allerletzte Hauptrolle zu verschaffen. BELLARIA, Wolfspergers Gruppenporträt einer eingeschworenen, Illusions-versessenen Wiener Filmerinnerungsgemeinschaft, begründete seinen Ruhm als Gegenwartskritiker mit Sinn für Nostalgie. Und beides macht seinen Film aus: die neugierige, dennoch kritische Liebe zu einem der großen Entertainer der Weimarer Republik, zu einem zeitgemäß androgynen Frauenliebling, der bis 1933 im deutschen Film als unwiderstehlich galt und nach dem Krieg nie wieder richtig modern wurde, zu einer immer noch verzückten Fangemeinde, die das mit den Juden und Deutschland wohl gehört, aber doch kaum auf ihren Star bezogen hat.
Wie BELLARIA ist also auch diese sauber komponierte, im Sinne des essayistischen Dokumentarfilms ehrliche, in den Details aber auch ruppige Montage aus alten und neuen Begegnungen erneut ein vielleicht etwas milderer, aber doch waschechter Liebesfilm geworden: für einen Mann, der "unter anderem" mit Lizzy Waldmüller verheiratet war, wie es freundlich heißt, für einen Rabenvater, dessen erwachsene Kinder mit erhellender Schärfe, immer aber liebevoll vom seinerzeit weltberühmten Hallodri, "Simplicissimus"-Akteur und "Kabarett der Komiker"-Mitbegründer sprechen. Für alte Damen, die seine Revue-Nummern nachtanzen, ohnehin. Nicht zuletzt aber für einen bis ans Lebensende Gehetzten, der noch im sicheren Exil so sehr darum bemüht war, seine jüdische Abstammung vergessen zu machen.
D/Österreich 2005, 89 min
Verleih: GMfilms
Genre: Dokumentation, Biographie
Darsteller: Max Hansen jr., Eva Reinhardt, Ann-Mari Hansen, Brigitte Mira
Stab:
Regie: Douglas Wolfsperger
Drehbuch: Douglas Wolfsperger
Kinostart: 02.03.06
[ Sylvia Görke ]