Originaltitel: EN ATTENDANT BOJANGLES
F 2021, 125 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal
Genre: Komödie, Drama, Literaturverfilmung
Darsteller: Virginie Efira, Romain Duris, Solan Machado-Graner, Grégory Gadebois
Regie: Régis Roinsard
Kinostart: 04.08.22
Erinnern Sie sich an Ihr erstes Mal DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE? Die überfließenden Augen? Das sich aus dem Solarplexus ausbreitende pure Glück? Sie können’s wieder erleben, genau hier. Aber Achtung, da steckt eine Fallhöhe drin, und zwar keine geringe.
Vorläufig gleitet Supercharmeur Georges (Romain Duris natürlich ideal besetzt) am Stiel eines Champagnerglases durchs „Wochenende des Erfolgs“ und erzählt sensationshungrigen Damen gequirlten Quatsch. Bis er Camille erblickt (Virginie Efira umwogen Auren des alten Hollywood), kühl wie die vorbeiwehende Meeresbrise und ebenso brillant bekloppt wie er selbst. Es knistert, reagiert, transformiert. Totale Unbeschwertheit: „Sie holen sich den Tod!“ – „Solange er mich nicht holt …“ Sex auf dem Altar einer Landkirche, Camilles Verschwinden, Georges’ Suche, Ehe, vergangene Jahre, Sohn Gary, nächtliche Parties, hingebungsvolle Tänze, ausgeblendete Realität.
All das inszeniert MADEMOISELLE POPULAIRE-Regisseur Régis Roinsard als schäumenden Rausch ohne Bodenhaftung, Bilderfest der Imagination, leidenschaftliches Gegen-die-Welt-Stemmen erst zweier, dann dreier einander aufs Engste verbundener Seelen, für die es öde Normalität nicht gibt, nicht geben kann. Gary betreffend allerdings eher erzwungen, seine Bohème-Eltern stempeln ihn zum gemobbten Außenseiter. Und schon mischt sich Phantasmagorie unter die grenzenlos scheinende Phantasie, bekommt die Märchenwelt riskante Risse. Umso tiefere, da sich Camilles (oder welchen Vornamen sie heute präferieren mag) psychischer Zustand zunehmend verschlechtert. Zunächst begegnet Georges jenen Attacken gewohnt locker, schwebt seine Gattin nackt aus dem Haus, folgt er halt unbekleidet, ein herrlicher Spaß! Doch irgendwann fällt das familiäre Kartenhaus zusammen, Hilfe muß her – oder vielmehr das, was Manisch-Depressiven in den 60ern angetan wurde.
Roinsard läßt weiter Grautöne zu, während er den Weg von höchstem Vergnügen zum geradezu Schmerzen verursachenden Ende exakt so gehen muß: entlanggeführt am unvermeidlichen Verpuffen trügerischer Hoffnungen und dennoch schrecklich schön. Weil Trauer der Preis ist, den wir für Liebe zahlen, darin unter anderem das außerordentliche Privileg, eine Zeit X den uns perfekt ergänzenden Menschen gekannt zu haben. Ganz zu schweigen von Mutterliebe …
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...