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Was bin ich wert?

Die Würde des Menschen ist antastbar

Es gibt wohl niemanden, der noch nie vor dieser schwierigen Frage stand. Besonders in Krisensituationen stellen Menschen den eigenen Wert in Frage. Ganz ähnlich ging es dem Filmemacher Peter Scharf, als eine langwierige Krankheit ihm das Arbeiten erschwerte. Also machte er kurzerhand den eigenen Selbstzweifel zum Film-Sujet, um dem aufsteigenden Gefühl der Nutzlosigkeit zu begegnen. Scharf trifft Fachleute, für die die Berechnung des menschlichen Wertes mehr oder minder zum Alltag gehört: Gesundheits-Ökonomen, Versicherungsmathematiker, Ärzte und Politiker. Er lernt, daß ihre Berechnungen sowohl bei Katastrophenszenarien staatlicher Behörden, aber auch bei Verkehrsunfällen eine wichtige Rolle spielen. Auch Personalabteilungen und Militärstrategen kommen kaum noch ohne aus. Sie alle sprechen viel über Zahlen, aber immer, wenn Scharf sie bittet, seinen eigenen, ganz persönlichen Wert auszurechnen, werden sie merkwürdig stumm. Ganz offensichtlich ist die Monetarisierung des Einzelnen mit einem Tabu belegt.

Warum das so ist, spürt man sofort, als Peter Scharf schließlich auch auf Menschen trifft, die zum Objekt solcher Berechnungen wurden. Was bedeutet es für einen Moldawier in Geldnot, wenn er illegal eine Niere an zahlungskräftige West-Europäer verkaufen muß? Was fühlt die Ukrainerin Olga, die ihre wunderschönen langen Haare abschneidet, um sie an den Haarhändler zu verschachern? Gibt es eine adäquate Entschädigungssumme, wenn ein Mensch durch ein Unglück getötet wird?

Peter Scharf verzichtet glücklicherweise darauf, im Film fertige Antworten auf diese Fragen zu präsentieren, und läßt die Absurditäten und Ungerechtigkeiten der Berechnungen ganz bewußt nebeneinander stehen. Stattdessen versucht er, die teils sehr abstrakten Rechnungsmuster immer wieder auf sich selbst zu beziehen und macht damit die wahnsinnige Anmaßung, die darin besteht, Menschenleben zu bewerten, deutlich spürbar.

Wer nach diesem Film das Kino verläßt, wird vielleicht ahnen, daß die einfachste Antwort („Leben und seine Würde eines Menschen sind unbezahlbar“) immer noch die beste ist. Wer genau hingehört hat, weiß aber auch, daß wir alle jeden Tag unbemerkt bewertet und vermessen werden: von der Krankenkasse, dem Internetsuchdienst und unzähligen anderen Institutionen. Die Rechnung dafür, so viel scheint gewiß, kommt irgendwann später.

D 2014, 90 min
FSK 0
Verleih: W-Film

Genre: Dokumentation

Regie: Peter Scharf

Kinostart: 09.10.14

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.