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Was hat uns bloß so ruiniert

Immer diese Hipster-Eltern

Außenstehenden erscheint das absurd: Da sitzen Eltern über 30 mit großen Fensterglasbrillen und Röhrenjeans im Kinderladen und diskutieren darüber, ob Rosinen ihren Kindern zumutbar sind. „Das ist pures Gift“, sagt ein Vater, der aber grundsätzlich befürwortet, daß sich sein 2jähriges Kind das Müsli selbst zusammenstellt, damit es sich zu einem autarken Menschen entwickelt. 

Was das Beste für den Nachwuchs ist, definiert jede Generation neu. In postkapitalistischen Zeiten ist das Credo junger Menschen, möglichst locker zu sein, ja nicht spießig und trotzdem alles richtig zu machen. In diesen Hipsterkreisen oder der bourgeoisen Bohème, wie es im Fachjargon heißt, ist es en vogue, das Erwachsenwerden bis in die Lebensmitte hinauszuschieben. Freiheit wird dadurch definiert, mit seinem Apfelcomputer Latte Macchiato trinkend im Café mit Fair-Trade-Angebot zu sitzen und irgendwas mit Kunst oder Medien zu machen und dabei auch noch schick auszusehen. Und das tun sie, die drei Paare: Stella und Markus, Ines und Chris, Mignon und Luis. Sie wohnen in minimalistischen Großstadtbuden in Wien, fahren hochgestylte Rennräder, und die Herren tragen Oberlippenbärte. Und auch als sich plötzlich Kinder ankündigen, soll erst einmal alles so schön Easy Peasy bleiben, wie es bisher war. Coolness als Fassade – die dann doch bröckelt. Chris beginnt eine Affäre, Mignon mutiert zur Übermutter, Stella weiß plötzlich nicht mehr, ob sie noch Filme machen kann. Sie merken, wie sich die Verspannung in ihr Leben schleicht, und stehen fast hilflos vor dieser Veränderung in der Biographie, die sich Familiengründung nennt und eigentlich das Normalste von der Welt ist. 

Mit WAS HAT UNS BLOSS SO RUINIERT hat Regisseurin Marie Kreutzer kein sarkastisches Elternbashing betrieben. Im Gegenteil. Ihr ist eine hervorragende Milieustudie gelungen. Selbstkritisch und fast liebevoll blickt sie auf die übersteigerten Ansprüche und Herausforderungen ihrer Generation. „Ich kenne das, wovon ich hier erzähle, Reflexion und Humor sind meine Möglichkeiten, damit umzugehen“, sagt die Österreicherin, die zur Premiere ihres ersten Films schwanger war, daher umdenken mußte, aber weiterhin erfolgreiche Regisseurin ist.

Der Film ist herrlich witzig und trotzdem auch tragisch. Das Gute ist, er urteilt nicht über jene, die alles anders machen wollen als ihre Eltern und dabei grandios scheitern. Denn wieviel anders sollte es auch gehen?

Österreich 2016, 96 min
FSK 0
Verleih: Movienet

Genre: Drama

Darsteller: Vicky Krieps, Pia Hierzegger, Pheline Roggan, Andreas Kiendl, Marcel Mohab

Regie: Marie Kreutzer

Kinostart: 09.02.17

[ Claudia Euen ]