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Was ist schon normal?

Herzblut auf dem Tellerrand

Machen wir’s inhaltlich kurz: Infolge einer Umständeverkettung, beispielsweise die Tarnung als deutscher Tourist, wird Räuber Paulo verwechselt und Teil einer Reisegruppe Erwachsener mit Behinderung. So flieht der Juwelendieb in die Ferien, wo sich zu vorprogrammierten Verwicklungen emotionale Turbulenzen gesellen – Auftritt Betreuerin Alice …

Da sollten sich wackere Moralhochhalter, die einen gewissen Monsieur Claude nebst Familienanhang rassistisches Pack aus der rechten Ecke nennen, mal wieder ein Lachplätzchen im naßkalten Kellergewölbe reservieren. Was nicht die unabdingbare Subjektivität des Humors meint, sondern Scheuklappengebaren plus Starkhang zur Tellerrandüberblickungsverweigerung und „Basta!“-Ruf. Bedeutet filmbezogen: Sicher schleicht die Komik gerade anfangs entschlossen rustikal schon an Fremdschamgrenzen entlang. Das darf jedoch nur jemand kritisieren, dem es glückt, irgendwie von irgendwelchen irgendwann entsprechend definierten Normen abweichenden Menschen ohne Ausnahme exakt genauso unbeeindruckt zu begegnen wie sämtliche Anforderungen vollumfänglich und lautlos erfüllenden Mitbürgern. Außerdem paßt sukzessiver Wandel zur Entwicklung der vermeintlich normalen Charaktere, obgleich selbige natürlich eher holzschnittartig und erklärerisch verläuft.

Und ja, noch zugestanden, daß selbst ein Überraschungsmindestmaß ausbleibt, Dezenz sich allgemein anders buchstabiert. Wer jetzt aber ständig bloß Diffamierung wittert, verpaßt den Baum, in dessen Rinde die Verstorbenen namentlich eingeritzt werden, zwecks Andenkenbewahrung. Schließt bewußt die Augen vor der sprühenden, mitreißenden (und, schaut man sein eigenes nöliges Gejammer über dieses und jenes an, halskloßbildenden) Lebensfreude des am Louis-Bar-Syndrom leidenden Sofian; Ärzte geben Betroffenen lediglich 19 bis 25 Jahre Zeit. Stellt seine Ohren auf Durchzug, wenn Dalida, die ikonische, unablässig auf tragisch endender Suche befindliche Bardin, ihnen schmeicheln möchte. Will sich aus Prinzip nicht bei genialer Rambo-Scharade amüsieren, die zum Running Gag taugenden alptraumhaften Grüße aus der (vermutlich Hexen-)Küche ignorieren. Verschottet die Wahrnehmung gegenüber einer schlicht bezaubernden Einkaufstour der bunten Truppe.

Oder erneut kurz: Worauf es letztlich ankommt, pocht immer und überall durch. Ganz kräftig, ganz pur, ganz ehrlich.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...