D 2023, 100 min
FSK 12
Verleih: Filmwelt
Genre: Drama
Darsteller: Serkan Kaya, Seyneb Saleh, Amira Demirkiran
Regie: Kanwal Sethi
Kinostart: 02.05.24
Wind und S-Bahn liefern den Sound des Erfrierens. Mitten in der Stadt, es schneit, liegt ein vereister Mann, noch lebend oder tot? Es ist das doppelte Bild des (versuchten) Sterbens, um das Kanwal Sethi seinen Film konstruiert. Die eine, Yasemin, findet man erschossen in ihrem Blut, der andere, Ilyas, ihr Mann, wird sich später am Ende seiner Kräfte in die Kälte legen. Nach Yasemins Ermordung wird ihre Familie von den Behörden und deren Verdächtigungen gegängelt und auseinandergerissen.
Ähnlich wie Justine Triets ANATOMIE EINES FALLS beleuchtet auch WAS VON DER LIEBE BLEIBT, wie das Aufklären eines Verbrechens eine ganze Welt nach außen kehrt, sie übergriffig zerpflückt, jegliche Privatsphäre und Möglichkeit des Trauerns raubt, allerdings mit einer zentralen thematischen Verschiebung und leider in einer weniger ausgetüftelten Inszenierung. Sethi hat unter dem Eindruck der Diskurse rund um die NSU-Verbrechen ein Drama auf die Leinwand gebracht, das strukturellen Rassismus entlarvt und dessen Auswirkungen auf die Betroffenen zeigt, die eher kriminalisiert und durchleuchtet als unterstützt werden und plötzlich erkennen, wie stigmatisiert, ausgeliefert sie gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Dynamiken und Zuschreibungen sind.
WAS VON DER LIEBE BLEIBT findet für diese Erschütterung und die Auseinandersetzung seiner Figuren mit ihrer Identität kaum herausragende Bilder, besticht jedoch in der Reibung seiner non-linearen und ambivalent springenden Szenenanordnung, die das Zweifelnde mit dem glückseligen Erinnern konterkarieren und das unwiederholbar Vergangene in das gedanklich Konservierte als letzten Halt überführen kann.
[ Janick Nolting ]