Wenn Harris träumt, dann ist seine Heimatstadt Athen in eine hypnotische Wolke aus Ambientmusik gehüllt, rollt er mit seiner Clique auf ihren Skateboards in Zeitlupe durch die Straßen, und gibt es kein Hindernis, das nicht überwunden werden kann. Ästhetische Perfektion der Verweigerung. Und schon ist der schöne Traum durch eine schallende Ohrfeige seines Vaters beendet, der den Jungen lieber gestern als heute in einem vernünftigen Job sehen will.
Doch Jobs gibt es keine im Griechenland der Finanzkrise. Deshalb halten die, die einen haben, auch lieber daran fest, egal, wie schlecht es ihnen damit geht. Und der zweiten Hauptfigur, Vassilis, geht es sehr schlecht. Erschöpft, deprimiert, frustriert und ängstlich wird er von den Polizeikollegen verlacht, ausgenutzt und von seiner Familie gemieden. Mit der Pflege der Mutter und der Betreuung der Tochter überfordert, zieht er sich immer mehr in sich zurück. Die Beziehung zu seiner Frau funktioniert schon lange nicht mehr, und der Plan, ein eigenes Geschäft aufzubauen, scheitert an fehlendem Mut.
Der Film erzählt diese beiden völlig verschiedenen Leben als Abbild der absoluten Leere. Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber beide ohne jede Perspektive sind. Der eine, weil er zufrieden ist und keine will. Der andere, weil er unglücklich ist und keine findet. So verstreicht dieser eine Tag, der im Film erzählt wird, wie jeder andere ohne Hoffnung auf Veränderung. Der Zuschauer jedoch spürt die drohende Katastrophe, den unausweichlichen Zusammenprall, der alles verändern wird.
WASTED YOUTH ist die Chronik eines schicksalhaften Tages. Lose inspiriert von den Ereignissen, die im Jahr 2008 zu tagelangen Ausschreitungen in Griechenland führten. Ein Debütfilm, der in nur wenigen Drehtagen mit Laiendarstellern und fast ohne Geld eine so dichte Atmosphäre schafft, daß man die Hitze Athens zu spüren glaubt. Die schwebende Langsamkeit der Jugend, die in den Tag lebt, wird zur schmerzhaften Trägheit der Zeit eines Mannes, der in seinem Leben keinen Sinn mehr sieht.
Das hier die Filme von Gus van Sant einen großen Einfluß hatten, versucht WASTED YOUTH gar nicht erst zu verbergen, im Gegenteil: Selbstbewußt bringen die Regisseure Argyris Papadimitropoulos und Jan Vogel die Lust an formaler und inhaltlicher Gestaltung auf die Leinwand und komponieren eine filmische Sinfonie mit donnerndem Schlußakkord.
Originaltitel: WASTED YOUTH
Griechenand 2011, 99 min
Verleih: Temperclay
Genre: Drama, Erwachsenwerden, Polit
Darsteller: Harris Markou, Ieronimos Kaletsanos, Artour Kiviliov
Stab:
Regie: Argyris Papadimitropoulos, Jan Vogel
Drehbuch: Argyris Papadimitropoulos, Jan Vogel
Kinostart: 06.06.13
[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...