Noch keine Bewertung

Water Lilies

Synchronität und Dissonanz der Gefühle

Im Volksmund werden die weißen Seerosen Wasserlilien genannt. Sie zeichnen sich durch große, weiße Blüten aus, deren Blätter sich synchron um einen goldfarbenen Kelch anordnen. In Céline Sciammas Film sind es junge Mädchen, die sich gleichmäßig im Wasser eines Pariser Schwimmbeckens um eine goldene Mitte bewegen. Sie versuchen die Perfektion der Natur nachzuahmen, mit ihren künstlerischen Kreationen und ihrem Äußeren, denn kein Haar soll beim Auftauchen unschön ins Gesicht rutschen, kein Achselhaar die Ästhetik stören und keine Schminke verlaufen. Doch die Blütenblätter im Rund der Synchronschwimmer, die die Regisseurin versammelt, sind bei all ihren Gemeinsamkeiten - alle sind weiblich, fünfzehn Jahre alt und gerade dabei, sich selbst zu finden - höchst unterschiedlich von der Natur bedacht worden.

Da wäre die etwas frühreife, pummelige Anne, die schon alle Rundungen einer Frau aufweist, derer sie sich jedoch schämt und die zu verstecken sie sucht. Dagegen Florianne mit der Aura einer Wassernixe - von den Männern begehrt, von den anderen Mädchen beneidet und gehaßt, glauben doch alle, daß sie schon jede Menge Erfahrungen sammeln konnte. Beide junge Frauen sind Kapitäne eines Synchronschwimmerteams. Verknüpft werden ihre Geschichten durch Marie. Die sitzt meist am Beckenrand, um den Auftritten ihrer Freundin Anne zuzusehen, doch bald kommt sie hauptsächlich um Florianne zu treffen.

Sensibel, sowie sehr klar und einfach zeigt Sciamma die emotionalen Konfusionen der ersten Liebe, mit all ihrer Körperlichkeit und Verletzungen. Eltern und andere Erziehungsberechtigte tauchen erst gar nicht auf, um den Mikrokosmos der Mädchen zu stören. Während Anne sich in François verliebt, der wiederum Florianne begehrt, kämpft Marie gegen ihre Gefühle für Florianne an. Und Florianne? Die möchte vor allem ihren Ruf als "Schlampe" wahren, obwohl sie gar keine Lust hat, mit einem Jungen zu schlafen. Die komplizierte Dreiecksbeziehung der Mädchen beinhaltet also alle Gefühlslagen, die man sich vorstellen kann: Eifersucht, Wut, Anziehung, Haß, Enttäuschung und Ablehnung.

Der französischen Filmemacherin gelingt es, diese Wucht der Emotionen in schwebender Balance zu halten. Sie gibt jedem ihrer Charaktere den nötigen Platz zur Entfaltung, läßt vieles einfach im Raum stehen und würdigt die Schönheit der Mädchen, die jede für sich eine einzigartige Seerose ist.

Originaltitel: NAISSANCE DES PIEUVRES

F 2007, 85 min
Verleih: Pro-Fun

Genre: Drama, Erwachsenwerden, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Adele Haenel, Louise Blachère, Pauline Acquart

Regie: Céline Sciamma

Kinostart: 14.08.08

[ Susanne Schulz ]