Was man Madonna, der wohl dienstältesten Regentin der Populärmusik, auch vorwerfen mag – mangelndes Stehvermögen gehört nicht dazu. Gerade das Filmgeschäft, auf das sie ihre Latifundien mit schöner Regelmäßigkeit auszuweiten sucht, fordert sie in dieser Hinsicht ganz besonders heraus. Ihre mäßigen darstellerischen Leistungen wurden stets belächelt, ihren Regieerstling von 2008 straften Publikum und Verleiher mit Mißachtung, und die Häme der Filmkritik schien in den roten Teppichen der Festivals zu hängen wie Hausstaub.
„Bless You“ gehört mithin zu den reflektiertesten Dialogzeilen von Madonnas zweitem Versuch als, ja, man muß wohl Autorenfilmerin sagen. Geniest hat Wallis Simpson, eine geschiedene Amerikanerin von apartem Äußeren, für die Edward VIII. von Großbritannien 1936 den Thron aufgab. Die historisch verbürgte Liebe, verewigt unter dem Paarkürzel W.E. und seinerzeit ein Skandal von politischer Tragweite, verschwistert sich hier mit der fiktiven Geschichte einer jungen Frau im New York der 90er, die bei Sotheby‘s in den Nachlaß von Wallis und Edward eintaucht, zu einem dualen Melodram. Über Möbel, Schmuck und Briefe träumt sich diese Wally in die 30er Jahre zurück, heraus aus ihrer eigenen Ehe mit einem gefühlskalten Arzt, dem sie mit Hormonspritzen ein Kind abzutrotzen versucht.
In willkürlichen Rückblenden und Parallelmontagen, in allerhand banalen Analogien sind diese Lebens- und Leidenswirklichkeiten verknüpft – manchmal so gewaltsam, daß man die Knoten im Drehbuch in der eigenen Kehle zu spüren meint. Zum Glück ist so viel Musik darunter, daß einem manches überflüssige Gespräch an den Ohren vorbeirauscht wie ein fernes Bächlein. Und es sind Bilder obendrüber, rasante Schwenks vom Dekolleté zu den Knöcheln, die den Blick von der inhaltlichen Dürftigkeit auf die ausgesuchten Garderoben lenken.
Die lachhafte feministische Schiefheit in diesem Erzählkonstrukt, das Kameraballett auf einem Meer von Nichts, die abgenutzten Gesten weiblicher Verzweiflung, etwa sich bäuchlings aufs Bett zu werfen, scheinen bei den Fachkollegen diesmal allerdings auf resignierte Milde gestoßen zu sein. „Weniger schlimm als befürchtet“, läßt sich das Presseecho zusammenfassen.
Und wer nun Madonnas Hartnäckigkeit kennt, der ahnt, daß sie selbst ein derart vergiftetes Kompliment als Ansporn verstehen könnte. Vielleicht zunächst für eine Single-Auskopplung: „Weint Nicht Um Mich, Ihr Kinogänger, Denn Ich Komme Wieder“?!
Originaltitel: W.E.
GB 2011, 115 min
FSK 12
Verleih: Senator
Genre: Drama, Historie, Liebe
Darsteller: Abbie Cornish, Andrea Riseborough, James D’Arcy
Regie: Madonna
Kinostart: 21.06.12
[ Sylvia Görke ]