Schon Ende der 70er Jahre gab es engagierte Kinofilme, welche Zusammenhänge im Zeitalter der Globalisierung zum Thema hatten (SEPTEMBERWEIZEN, 1979/80) und zuletzt war es Hubert Sauper, dessen Doku DARWINS ALPTRAUM in Erinnerung sein dürfte. Den Wiener Regisseur Erwin Wagenhofer nun beschäftigte die Frage, woher unsere Lebensmittel stammen.
Zunächst führte eine Spur auf den 3000 km langen Weg von Tomaten. Aus dieser Recherche wurde eine Reise, die nach Frankreich und Spanien, in die Schweiz, nach Rumänien und Brasilien führte, und in Österreich, an ihrem Ausgangspunkt, wieder endete. Luftaufnahmen zeigen die Gewächshäuser von Almeria, 25.000 Hektar versiegeltes Land, wo das Gemüse in Nährlösung gedeiht. In Brasilien traf Wagenhofer hungernde Bauern neben riesigen Sojafeldern, angelegt ausschließlich für die Ernährung des Zuchtviehs in Europa, und in der Bretagne erzählten Fischer von ihrem Kampf gegen EU-Verordnungen und den industriellen Fang. Die Dramaturgie setzt auf Steigerung der Emotionen: Am Beginn des Films sieht man Brotberge, die mit Müllwagen abtransportiert werden - die Vernichtung von Lebensmitteln aus ökonomischem Zwang. Ans Ende plaziert der Regisseur Kisten voll piepsender Küken. "Brüterei", "Zuchtanlage", "Lebendanlieferung" und "Schlachtlinie" sollen als Stichworte genügen.
Strukturiert ist der Film durch Sequenzen eines Interviews mit Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, sowie eingeblendete Zwischentitel, die das Ausmaß des Sichtbaren in Zahlen festhalten. Zu Wort kommen auch Bauern, Fern- und Müllfahrer sowie Konzernbosse und ihre Mitarbeiter. So begegnete Wagenhofer in Rumänien dem Pioneer-Produktionsleiter Karl Otrok, einem scheinbar vernunftbegabten Mann im Dienste ignoranter Machthaber. Dessen Bemühungen, den Rumänen die Einführung von Gen-Saatgut auszureden, scheinen aber nicht mehr als ein Kniefall vor dem eigenen Gewissen. Auch der Regisseur verzichtet letztendlich auf eine eindeutige Haltung. Bei dem Gesamtkonzept, welches eine Meinung in Bildern intendiert, führt dies immer wieder zu feinen Unstimmigkeiten. So findet sich die Position rumänischer Bauern ausgeklammert, dem Konzernchef Brabeck von Nestlé dagegen wird viel Redezeit zugestanden.
WE FEED THE WORLD ist erschütternd und didaktisch, zeugt aber vor allem von einem Zustand, der symptomatisch ist im Angesicht des Gezeigten: Hilflosigkeit.
Österreich 2005, 96 min
Verleih: Delphi
Genre: Dokumentation, Polit
Darsteller: Hans Schrank, Karl Otrok
Stab:
Regie: Erwin Wagenhofer
Drehbuch: Erwin Wagenhofer
Kinostart: 27.04.06
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.