D 2019, 107 min
FSK 6
Verleih: NFP
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Cordula Kablitz-Post, Paul Dugdale
Kinostart: 28.03.19
Jetzt erst mal eine Jugendsünde: Als Teenager war ich auf einem U2-Konzert im Bremer Weser-Stadion. „Zoo Station“-Tour, große Show, Trabbis auf der Bühne, als hätten U2 die Mauer persönlich zum Einsturz gebracht. Einfach pathetisch. „Du warst bei der schlechtesten Band der Welt auf dem Konzert?“, fragte mich Jahre später ein entsetzter Freund. Ich erklärte, die schlechteste Band habe als Vorband gespielt: Die Toten Hosen, auch bekannt als Die roten Rosen. Die Schunkel-Punks und Helden der Düsseldorfer Theke kamen mir damals schon reichlich dinosauriermäßig vor.
Nie im Leben hätte ich gedacht, daß sie heute noch die Stadien füllen – und zwar ohne U2. Noch mehr Aha-Effekte liefert die Backstage-Perspektive. Dazu gehört die schlechte Laune nach einem nicht ganz so geglückten Auftritt. Campino boßt ordentlich herum, schmeißt auch mal ein Handtuch nach der Kamera. Und: „Ich find’ jede Tour scheiße“, gesteht Kuddel. Dann aber auch wieder eine gehörige Portion Selbstironie und – aha! – Perfektionismus. Nach dem Motto „Irgendwann muß es doch mal klappen“ hat die Band an sich gearbeitet und eine professionelle Transformation durchlaufen. Punk ist Beruf, gefeiert wird später. Tatsächlich steckt eine gesunde Selbsteinschätzung dahinter. Die Hosen sind gealtert, mit ihnen die Crew-Mitglieder und ein Teil der Fans. Da muß man sich trainieren, für den einen Moment, der immer auch der letzte sein kann.
Ich lerne, daß die größten Hosen-Fans in Buenos Aires sind, wo sich der Punk-Geist von einst irgendwie bewahrt hat. „We Are A Punk Band. Still“, stellt Campino klar: „Besser zu schnell als zu langsam.“ Diesem Selbstanspruch wird die Band bei ihren Auftritten tatsächlich gerecht, ob man sie nun mag oder nicht. Aber es ist natürlich auch ein Verdienst des Filmes, daß man fast die ganze Zeit mittendrin ist. Mit Interviews hält er sich zurück, obwohl da noch einiges hätte reduziert werden können. Er lebt von der Stimmung abgewetzter und schweiß-benetzter Leder-Sofas im Künstler-Zimmer und der Energie auf der Bühne.
Die Toten Hosen sind inzwischen so alt, daß sie schon gegen mehrere Wellen rechtsradikaler Gewalt mit denselben Liedern angesungen haben. Und damit sind wir in Chemnitz, einer Stadt, in der die Band in letzter Zeit besonders häufig auftritt. Es scheint, sie haben der Welt noch etwas zu sagen. Und sei es, daß man auch als Punk für sich selbst Verantwortung übernehmen muß.
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...