Originaltitel: WHITE OLEANDER
USA 2002, 110 min
Verleih: Tobis
Genre: Drama, Erwachsenwerden
Darsteller: Alison Lohman, Michelle Pfeiffer, Robin Wright Penn, Renée Zellweger, Billy Connolly
Regie: Peter Kosminsky
Kinostart: 06.02.03
"Ich stelle es mir schwer vor, keine eigenen Kinder haben zu können!" – der Hieb saß und tut richtig weh, war jedoch kein verbaler Ausrutscher eines emotionalen Trampeltiers, sondern bitterböse Absicht. Ein bißchen Spaß muß eben auch sein, wenn man im Knast sitzt, so wie Ingrid Magnusson, verurteilt wegen Mordes. Hübsch lächelnd, aber voller Feindseligkeit schleudert sie Claire Richards, fünftklassige Schauspielerin, voller Selbstzweifel und bereits zweite Pflegemutter von Ingrids Tochter Astrid, nicht nur die obigen Worte entgegen. Mit furchtbaren Konsequenzen. Dabei glaubte Astrid, nach der Pleite mit Pflegefamilie Nummer 1 (unter Vorsitz einer berufsjugendlichen, bibeltreuen Ex-Stripperin namens Starr) ein echtes Heim gefunden zu haben. Nun geht die Odyssee weiter – irgendwann hat das Mädchen die Nase voll. Nie wieder rumgeschubst werden oder Ingrids demagogische Vorträge hören, wie schlecht "alle Anderen" seien. Astrid ist entschlossen, ihr Leben in die Hand zu nehmen!
Der teils schlicht schlampigen Inszenierung (war Peter Kosminsky angesichts seiner illustren Besetzung so eingeschüchtert, daß er glatt vergaß, wie man Filme dreht?) kann man nicht dafür danken, ein gelungenes Selbstfindungsdrama zu sehen – aber den Darstellerinnen. Robin Wright Penn verleiht Starr präzise das richtige Quentchen bigotten Wahnsinns, Renée Zellweger, psychisch so stabil wie Butter in der Sonne, macht Claires Seelenpein spürbar transparent, und Michelle Pfeiffer liefert mit Ingrid Magnusson ihre beste Leistung seit Jahren. Sonst Vorzeige-Gutmenschin, hier von Haß zerfressen, misanthropisch, in persönlichen Feindbildern gefangen – das sollte man erleben.
Umso beeindruckender, wie souverän Alison Lohman als Astrid gegen die geballte Power des Star-Aktricen-Dreigestirns besteht, meisterlich die Wandlung vom Kind zur Erwachsenen vollzieht. Wenn in ihr schließlich die Einsicht dämmert, Ingrid habe sie trotz allem immer geliebt, ist das kein amerikanisch simplifiziertes "Sie meint es doch nur gut!"-Gedöns, sondern die schmerzliche Erkenntnis einer gereiften Persönlichkeit, welche fast daran zerbrochen wäre, Tochter dieser ebenso gefährlichen wie beschützenden Frau zu sein.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...