Serge ist wieder da, mit einem Truck voll Stoffe. Drei Tage wird er in Tanger bleiben, dann geht es mit der Fähre wieder rüber nach Frankreich, den Laster voller Luxusklamotten. Er wird die schöne Pensionsbesitzerin Sarah lieben, daß die Bettfedern jauchzen, er wird mit seinem Freund Said, dem Ex-Akrobaten, auf der Suche nach einem guten Joint durch Tanger ziehen, die Rufe der Muezzin werden schallen, die Kinder werden betteln, der Strand wird leer sein, die Sonne stechen. Also wird alles so wie immer sein, wenn Serge kommt. Und dann ist alles ganz anders.
Sarahs Mutter ist gestorben, sie will die Pension verkaufen und nach Kanada ziehen. Said will sich endlich nach Europa durchschlagen. Und Serge, der Welten-Wanderer, muß sich entscheiden, ohne sich zu verheddern: Soll er sein Versprechen halten und Said auf seinem Truck ins goldene Europa schmuggeln? Soll er seiner Liebe treu sein und Sarah folgen? Wie soll einer einen graden Weg finden, wenn er schon die erste Koordinate scheut?
André Techiné hat einen leisen, unaufgeregten, packenden Exil-Film gemacht. Das Exil ist Tanger, Brückenkopf und Barriere zwischen Afrika und Europa, eine Stadt, die die innerlich Heimatlosen nicht halten kann. Es gibt eine Reihe von Nebenfiguren, die sich in diesem Film, an diesem Ort wohlfühlen. Doch für Said, Sarah und Serge ist das Glück immer gerade da, wo sie selbst nicht sind. Im babylonischen Sprachgewirr von Tanger träumen sie von ganz WEIT WEG. Wie geblendet stolpert Serge durch Tangers sonnenüberflutete Zwischenwelt, begegnet auf seiner dreitägigen Odyssee Grenzern, Gaunern, Liebenden. Er ist ein Verschlossener, notorisch halb Entschlossener, ein Schweiger und Streuner, ein ewiger Trucker.
Zum Helden fehlt ihm der Idealismus und zum Pragmatiker die Abgeklärtheit. Und doch wird er am Ende eine Entscheidung treffen - ob richtig oder falsch ist egal. Denn es wird eine Koordinate sein, ein Anhaltspunkt.
Originaltitel: LOIN
F 2000, 120 min
Verleih: Alamode
Genre: Drama
Darsteller: Stéphane Rideau, Lubna Azabal, Mohamed Hamaidi
Regie: André Téchiné
Kinostart: 03.10.02
[ Christian Seichter ]