Originaltitel: WELCOME TO NORWAY

Norwegen 2016, 95 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Komödie

Darsteller: Anders Baasmo Christiansen, Oliver Mukuta, Simane Dazi

Regie: Rune Denstad Langlo

Kinostart: 13.10.16

Noch keine Bewertung

Welcome To Norway

Von Bau-, Ehe- und Moralruinen

Eine Empfehlung mit einer Warnung beginnen: Es mag hier mal notwendig sein, ob dieses Films, der unumwunden unmittelbar auf eine gegenwärtige gesellschaftliche Gemengelage reagiert. Und zwar, um zur Warnung zu kommen: Für jenen Typus des „aufgeklärten Bürgers“, der seine Xenophobie für Klarsicht hält, der seine biederen Ressentiments als bodenständigen Realismus oder Spielform kultureller Identitätswahrung etikettiert, der mithin immer wieder mal im Tonfall des strengen Oberlehrers den weinerlichen Gutmenschen oder der dauerlügenden Lügenpresse die Leviten liest, für diesen Bürger also ist dieser Film mit ziemlicher Sicherheit das reinste Ärgernis. Und das, obwohl ihm ein Typ wie dieser Primus erst einmal gar nicht so fremd sein dürfte.

In WELCOME TO NORWAY erscheint der ganz als der bodenständige Nordmann, der aus seinen Aversionen gegen alles Fremde im allgemeinen und gegen Flüchtlinge im speziellen keinen Hehl macht. Wobei: Ganz ungelegen kommen die dann dem Primus eigentlich doch nicht. Also rein geschäftlich gesehen. Und Geschäftssinn ist ja schließlich auch eine Sache bürgerlicher Bodenständigkeit. Selbst wenn das Touristenhotel, das Primus hier im hohen Norden Norwegens betreiben wollte, geschäftlich zum Desaster erster Güte wurde. Aber da das Hotel nun mal steht (also mehr oder weniger, sagen wir, im Stadium eines fortgeschrittenen Rohbaus), und der Staat viel Geld bezahlt an den, der Flüchtlinge unterbringt, gibt Primus den Pragmatiker und deklariert seine Immobilie zur Asylunterkunft um.

Eine, in der nicht nur die Türen vor den Zimmern fehlen, oder die Strom- und Wasserversorgung eher nach Zufallsprinzip funktioniert, sondern natürlich auch bald gewisse Spannungen entstehen ob diverser Sprachprobleme und des Umstandes, daß diese verdammten Asylanten nicht immer so wollen, wie der Primus eben will. Von den lästigen Behörden, die ihn und sein Treiben mit Argusaugen beobachten, ganz abgesehen. Bloß gut, daß unter den Flüchtlingen der gewitzte Abedi ist, der Primus bald aus dieser und jener Klemme hilft. Wenn natürlich auch aus eher eigennützigen Gründen. Aber in puncto Eigennutz ist er dem Primus ja durchaus ähnlich.

Die ganze Angelegenheit mal mit Humor betrachten – das ist der große Pluspunkt an Rune Denstad Langlos WELCOME TO NORWAY. Ein Film, der sich einer ganz unmittelbaren Aktualität widmet, dabei ganz klar Position bezieht und doch zu einem Ton in der Lage ist, der frei ist vom moralischen wie auch vom emotionalen Reflex, wenn auch nicht frei von Moral und Emotion. Was gerade heute in einer Zeit, die wiederum geprägt ist von den reflexhaften Schnappatmungen jeglicher Couleur, seien sie pro oder contra wozu auch immer, nicht hoch genug anzurechnen ist.

Daß die erzählte Geschichte eine ist, die in ihren Wendungen eher wenig überrascht, geht auch aus diesem Grund in Ordnung. Natürlich entwickelt sich zwischen Primus und Abedi eine Freundschaft und wird nicht nur aus der Bauruine, sondern auch aus der Beziehungsruine, die Primus mit seiner Frau unterhält, wieder etwas Lebenswertes. Und natürlich spitzt sich dann doch noch die Dramatik zu, aber auch das trumpft nicht auf, drückt weder auf den Tränen- noch den Wutreflex. In diesem unaufgeregten, lakonischen Erzählen liegt die Stärke dieses Films, der genau aus dem Grund, weil er nicht appelliert, an etwas Wesentliches erinnert: an das Gute im Menschen. Sicher, nicht jedermanns Sache. Aber gewarnt wurde ja schon.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.