D 2005, 88 min
Verleih: Concorde

Genre: Episodenfilm, Schräg, Satire

Darsteller: Peter Berning, Andreas Nickl, Jan Schütte, Christoph Bach, Jakob Hüfner, Harald Schrott

Stab:
Regie: Jörn Hintzer, Jakob Hüfner
Drehbuch: Jörn Hintzer, Jakob Hüfner

Kinostart: 11.08.05

Noch keine Bewertung

Weltverbesserungsmaßnahmen

Sieben fixe Ideen für Ironieaktivisten

Seit dem Jahr 2000 treffen sich Künstler regelmäßig auf einer Plattform. Die liegt im Internet, nennt sich "Datenstrudel" und wirbelt Aktionen, Filme und Musikvideos durch den realen oder virtuellen öffentlichen Raum. Unter der Rubrik "Weltverbesserungsmaßnahmen" wurden dort entsprechende Vorschläge gesammelt. Und die Datenstrudler Hintzer und Hüfner präsentieren nun sieben davon, ergänzt um schnuckelig lehrfilmhafte Problemaufrisse, in einer modisch gefransten, das heißt digital gefilmten Fake-Doku. Die kommt mal knackig, mal träge und einmal sogar als Fotoroman daher.

Die Initiative "Ampel e.V." bringt ihren Mitgliedern das konzertierte Anfahren bei Grün bei, damit gesellschaftliches Fortkommen wieder möglich ist. Ein Leihgeschwisterprogramm vermittelt Arbeitslose (nach Umschulung) an Familien mit Einzelkindern und löst damit gleich zwei drängende Probleme. Ein Herr Gerster schließt Gerechtigkeitslücken, indem er alle mit Plateausohlen auf das gleiche Niveau hebt (1,90 m). Herr Novak kurbelt die Binnennachfrage mit dem "Sorbischen Euro" an, der beim Sparen an Wert verliert. Aus solchem oder ähnlichem Stoff sind alle diese Visionen einer Bürgergesellschaft im Rausch der Eigeninitiative.

Augenzwinkernd fragte sich eine deutsche Tageszeitung: "Meinen die das ernst?" Man könnte antworten, daß Hintzer und Hüfner es noch lange nicht ernst genug meinen. Denn ihren durchaus berückenden Späßen um einen schrägen deutschen Erfindergeist, der sich immer gleich im Verein organisiert, oder um ein seuchenhaftes Expertenwesen, das hier in der Person des ewig gleichen Prof. Dr. Schleede zu allem Auskunft geben kann, fehlt etwas Entscheidendes: ernst gemeinte, auch dramaturgische Kontrapunkte, an denen zuletzt der Film MUXMÄUSCHENSTILL richtig weh tat.

In der geglücktesten Episode gelangt man einmal fast dorthin, wenn nämlich die Mitglieder der "Aktiven Krankenversicherung" das preiswerte Konzept der Selbstbehandlung am heimischen OP erproben. Ansonsten aber drehen die subversiv gemeinten, jedoch nicht mit radikaler Konsequenz durchgeführten Reformetüden zu oft zu früh ab - in die Gefilde einer komplett durchbuchstabierten Ironie: Fiktionen im Dokumentarstil als kichernder Kommentar zur realen Ideenlosigkeit, Parodien auf den allgegenwärtigen TV-Reportage-Irrsinn, der Fakten mittlerweile selbst inszeniert. So what?

[ Sylvia Görke ]