Originaltitel: LJÓSBROT
Island/NL/FKroatien 2024, 80 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama
Darsteller: Elín Hall, Mikael Kaaber, Katla Njálsdóttir, Baldur Einarsson
Regie: Rúnar Rúnarsson
Kinostart: 08.05.25
Die britische Band The Kinks sang in den 60ern ihr betörendes „Waterloo Sunset“ und meinte den Sonnenuntergang unweit einer Londoner U-Bahn-Station. „As Long As I Gaze On“ – „Solange ich ihn betrachte, bin ich im Paradies.“ Es hatte mit dem Licht zu tun, das zwischen Themse und Häuserfronten schwebt, tänzelt, sich munter modelliert. Genau dort, wo Terry und Julie verliebt über die Brücke spazieren.
Auch Una und Diddi, ein anderes Liebespaar, zelebrieren das Szenario der schwindenden Sonne. Dabei sitzen sie am Meer unweit von Reykjavik und machen Pläne für die Nacht, für morgen, für bald. Sie sprechen über Prioritäten. „Ich will nicht zu spät zum Unterricht kommen“, sagt Una. „Und du mußt mit Klara Schluß machen.“ Una und Diddi sind an Islands Kunsthochschule eingeschrieben. In der Hauptstadt haben sie sich kennengelernt, die Liebe stand wohl nicht im Studienplan, sie ist ihnen passiert. Vor dem nächsten Sonnenuntergang will Diddi in die Westfjorde geflogen sein, um die Sache mit Klara zu regeln. Damit das Verstecken endet, das dieser Liebe etwas die Luft nimmt. Es ist keine Kunst. Denn WENN DAS LICHT ZERBRICHT, geschehen Dinge, die man sich nicht ausmalen kann.
Regisseur Rúnar Rúnarsson zeigt sich mit seinem dritten Film als ungemein effizienter Erzähler. 71 Minuten benötigt er, bis der Abspann beginnt. Keine Rückblenden und Abwege, keine Schlacke. Mit aufmerksamer Präzision bleibt er zunächst nur an Una dran, die der morgendlichen Routine in Diddis WG mit einer Art Flucht begegnet. Auch im Seminar bleibt sie hellwach, mit großen Augen auf Habacht in Stellung, und dieser Zustand wird sich noch verschärfen. Zunächst erfährt Una nur zufällig vom schrecklichen Unfall, der in einem Autotunnel Reykjaviks geschehen ist. Erst durch Diddis Freund Gunni unterminieren die Fakten ihr Gemüt.
Una rennt weg, weint, raucht, trinkt Bier, krallt sich bei ihrem Vater fest, kommt zurück in den Kreis der Freunde, atmet schwer, tanzt. Gemeinsam versuchen sie, Gewißheiten zu ertragen. Mittendrin: Klara. Wenn sich in einem atemlos machenden Moment die Gesichter der jungen Frauen im Fenster spiegeln, fast deckungsgleich aufeinander schieben, dann hat dieses starke Kinostück seinen sanften, traurigen, Trost versprechenden Kulminationspunkt erreicht. Vor allem für dann, wenn dieser eine Tag – wieder am Meer, wieder mit Sonnenuntergang – vorbei sein wird.
[ Andreas Körner ]