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Westen

Von nicht zu Ende geknüpften Fäden

Christians Schwochows neueste Regiearbeit legt nahe, über das Scheitern nachzudenken. Nicht hämisch, denn Schwochow muß nicht beweisen, daß er erzählen kann. Auch nicht sarkastisch, wie bei Filmen, deren eigentliches Konzept es ist, bei den Kritikern durchzufallen, weil sie STEP UP 6 oder irgend ähnlich heißen. Nein, scheitern kann man nur, wenn man überhaupt eine Idee, einen Traum hatte. Und in Schwochows Film nach den Roman „Lagerfeuer“ von Julia Franck gibt es die starke Geschichte der Nelly Senff, einer Chemikerin, die mit ihrem Sohn Alexej die DDR verläßt und in einem Aufnahmelager in West-Berlin landet. Sie geht nicht, weil sie – ganz klischeehaft – gelitten hätte unter dem System, sondern weil sie vergessen will. Ihre große Liebe, ein russischer Physiker, war unter seltsamen Umständen bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Schon die Stasi hatte ihr immer wieder Fragen zu ihm gestellt, im Westen landet sie ebenfalls auf dem Vernehmungsstuhl. Diesmal auf dem der Alliierten.

Gut gezeichnet sind die Gefühle von Nelly – von Jördis Triebel kraftvoll und sensibel erspürt – die zwischen Hoffnung und Unbehagen schwanken, die sich reiben an den (schon wieder) gönnerhaften Männern, die angeblich nur ihr Bestes wollen. Schwochow gelingt es zu diesem Zeitpunkt noch grandios, seine filmische Idee, diese Zwischenwelt des Lagers zu zeichnen, als eine Wartehalle auf Leben, das bitte endlich losgehen soll. Hier im Westen, der vermeintlichen Freiheit. In der Wartende auch stranden, im Dazwischen hängenbleiben.

Ist es dann der Drang, doch ziemlich plötzlich aus den in den ersten 40 Minuten klassisch angelegten dramaturgischen Fahrwassern auszubrechen, um in eine Erzählsprache des Diffusen überzuwechseln, das Dazwischen auch stilistisch aufzugreifen, das den Film aus der Bahn wirft? Oder eher die forcierte Wendung hin zum Thriller, die der Liebesgeschichte zum russischen Physiker plötzlich ganz viel „Action“ verleiht? In Kombination mit all den anderen angefangenen und nie zu Ende geknüpften Fäden verwandelt sie jedenfalls die Handlung in einen Wust von verpaßten Anknüpfungen. Die Geschichte der Nelly Senff geht verloren. Sie verschwindet ebenso im Paranoiden wie die Heldin.

Da weiß man irgendwann nicht mehr, was diese Frau antreibt, was Schwochow eigentlich sagen will, außer eben alles, irgendwie. Den Zuschauer das (vermutlich) selbst entscheiden lassen zu wollen, ist keine Option, wenn man ihn zu Beginn doch dazu bringt, am Ende genau diese Fragen zu stellen.

D 2013, 102 min
FSK 12
Verleih: Senator

Genre: Drama

Darsteller: Jördis Triebel, Alexander Scheer, Tristan Göbel, Jacky Ido

Regie: Christian Schwochow

Kinostart: 27.03.14

[ Susanne Schulz ]