Originaltitel: WHERE IS ROCKY II?
F/Belgien/D/I 2016, 93 min
Verleih: REM
Genre: Dokumentation, Mockumentary, Schräg
Darsteller: Robert Knepper, Milo Ventimiglia
Stab:
Regie: Pierre Bismuth
Drehbuch: Pierre Bismuth
Kinostart: 20.10.16
Nein, es geht nicht um Stallone. Im Zentrum der Geschichte steht ein Felsen in einer steinigen Wüste. Nichts, worüber man dringend sprechen müßte. Aber: Dieser Felsen ist angeblich gar nicht aus Stein, sondern aus Kunstharz. Und er kam nicht auf natürlichem Wege dorthin, wurde absichtlich in der Wüste drapiert. So weit, so gut.
Nicht allen mag dieser Umstand so außerordentlich und universell erscheinen, um daraus eine größere Story zu drehen. Den französischen Künstler Pierre Bismuth allerdings ließ dieses Stück Stein nicht los. Gesehen hatte er es in einer BBC-Dokumentation aus den späten 70er Jahren, die zeigt, wie der renommierte amerikanische Künstler Ed Ruscha einen selbstgebastelten Felsen in die Mojave-Wüste irgendwo zwischen andere Felsen stellte und ihn Rocky II nannte. Bismuth konfrontierte Ruscha auf einer Pressekonferenz mit seiner Vergangenheit, doch der Vater des Steins hüllte sich in Schweigen.
Also engagiert Bismuth für seinen Film zuerst einen Privatdetektiv, der sich auf die Suche nach dem Undercover-Felsen machen soll. Die Kamera begleitet ihn dabei, wie er durchs Land fährt und fliegt und Freunde und Bekannte von Ed Ruscha befragt. Später macht sich der Detektiv höchstpersönlich auf den Weg in die Wüste, um nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen. Zudem engagierte Bismuth zwei Drehbuchautoren, die die Geschichte um den mysteriösen Felsbrocken in einen fiktionalen Stoff verwandeln sollen. „Westernmäßig“ inszenierte Szenen aus diesem Buch wechseln sich mit der dokumentarischen Suche ab.
Es ist ein ungewöhnlicher Film, den Bismuth da abgedreht hat. Irgendwo zwischen Doku, Fiktion und Mockumentary mäandert WHERE IS ROCKY II?. Immer wieder knallen Banalität und Absurdität der Aktion aneinander. Hinzu kommt die Akribie, mit der sich Bismuth an die Arbeit macht, den Felsen zu finden. Denn Rocky II taucht trotz seiner „Berühmtheit“ in keinem Werkkatalog von Ed Ruscha auf. Gibt es ihn am Ende also gar nicht? Und selbst wenn, ist das Kunst, einen Fake-Felsen in die Wüste zu stellen und keinem davon zu erzählen?
Es sind die großen Fragen rund um die Kunst und ihren Markt, die Bismuth hier ins Rollen bringt. Wann ist der Künstler ein Künstler, und wann verändert er die Welt? Darüber kann man nachdenken oder beim Spiel mitspielen und sich mit laut anschwellender Musik und Revolverheldenposen in ein Drama hineinversetzen. Am Ende aber bleibt es ein grauer, lebloser Felsen in einer Wüste.
[ Claudia Euen ]