Der Typ ist gut. Und anstrengend. Auch launisch. Eine richtige Diva. Und genau die will das Publikum doch sehen. Otto Kullberg ist ein Kassengarant, auf den Mann ist Verlaß. Oder eben nicht – weil er nicht nur kapriziös, sondern auch durstig ist. Ans Set bringt er seinen eigenen „Kaffee“, der schmeckt ungleich stärker, und – schlimmer noch – der knallt ordentlich, so daß es immer wieder zu Ausfällen kommt. Otto ist beim Dreh schlichtweg kannevoll, rotzbesoffen, das Set wurde wieder einmal umsonst aufgebaut. Und da Film nun einmal Teamarbeit ist, und ein Regisseur außerdem den Dolch der Buchhalter ständig im Rücken spürt, kommt es zum Eklat: Alle Szenen sollen parallel mit einem Otto-Ersatz gedreht werden. Jetzt drückt der gekränkte Star richtig auf die Hupe ...
Dieser Aufhänger des Films im Film ist nur eine grobe Klammer, quasi der Anpfiff für eine wunderbare, melancholische und mit herrlich komischen Einlagen gespickte Geschichte. Andreas Dresen gibt Einblick in das so sensible, manchmal auch bissige, oft eitle, immer aber übers dicke Blut zusammengeschweißte Bündnis der Filmfamilie. Er macht dies geschickt im Verweben der Ebenen, im Überlagern von Film-im-Film-Figuren mit seinen Protagonisten – worauf man zwangsläufig den verzweifelten Ausspruch Romy Schneiders, im Film alles und im Leben nichts zu können, erinnert.
Dresen schaut dabei ganz genau und mit viel Verständnis ins Herz seiner Helden und erzählt vor allem von Sehnsucht, Liebe, Angst und Einsamkeit. Otto hat keine Angst vor diesem halbstarken und – mit Verlaub – auch optisch arg flachzangigen Arno Runge, der ihn da irgendwie ersetzen soll. Otto hat schlicht Angst vor dem Alter. Vor der Zeit, in der er nicht mehr dazwischen quatschen kann, wenn die guten Drehbücher ausbleiben und er die schlechten nur ablehnt, um dann doch zuzusagen. Schauspieler brauchen wie Motten das Licht. Es ist die Furcht vor dem Abstellgleis. Das wäre bei bemühten Sozialfilmern zur drögen Betroffenheitsstudie geworden, in der Götz George mal wieder dauerheiser für schlechte Stimmung sorgt. So aber nicht bei diesem einzigartigen Andreas Dresen, dem es ganz fabelhaft gelingt, leicht und anrührend zu erzählen.
WHISKY MIT WODKA ist eine Tragikomödie im besten Sinne, wobei der Komik wirklich der gebührende Platz eingeräumt wird. Dafür sorgen schon allerhand wüst-verzweifelte Begehrlichkeiten innerhalb des Teams, kleine, feine Demütigungen und immer wieder Unsicherheiten über das „Richtige“ beim Dreh. So rät die von der auf den Punkt spielenden Corinna Harfouch gegebene Regisseursgattin Bettina ihrem Mann, der jede Diskussion ablehnt, doch lieber Tierfilme zu drehen, da wird Kullberg im Fernsehen als Filmlegende und Getränkekenner eingeführt, und Otto schließlich flucht, daß an diesem Film noch alles unüberlegt sei, und warum man nicht ohnehin gleich im Liegen drehe. Herrlich! Witz und Melancholie halten sich exakt die Waage, und Dresen erzählt in positiver Lesart altmodisch und ohne eitle Schnörkel.
Und dann diese Besetzung! Das sind richtige Schaupieler – mit Stimme, mit Haltung und manche auch mittlerweile mit bißchen Bauch. Neben Harfouch brilliert Sylvester Groth als überforderter Regisseur, den Film aber reißt sich der unverwüstliche Henry Hübchen unter den Nagel. Mit wieviel Wut, Siegeswillen und dann ganz milder Ermüdung er diesen Kullberg gibt, das ist schlichtweg sensationell. Da stimmt alles, jede Geste, jeder Satz, jeder Blick aus diesen wasserblauen Augen nach einem kräftigen Schluck aus der Pulle. Und das so kunstvoll zerwurschtelte Haar.
D 2009, 104 min
FSK 12
Verleih: Senator
Genre: Komödie, Drama
Darsteller: Henry Hübchen, Corinna Harfouch, Sylvester Groth, Markus Hering
Regie: Andreas Dresen
Kinostart: 03.09.09
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.