Jon macht es für seine Frau Anna, doch glücklich ist er damit nicht. In Reykjavik ist er Uniprofessor für Literatur, die Studentinnen hängen an den Lippen des Mittvierzigers, wenn er über unglückliche Liebe in Büchern spricht. Zu Hause aber werden diese Bücher wahr. Da war mal viel, wie es scheint. „My Love“ leuchtet die Schrift auf Jons Handy, wenn Anna anruft. Doch sie hat ein psychisches Problem, knapp eingeblendete Tablettenröhrchen verweisen darauf. „Ich will heim“, wimmert Anna abends im Bett. Und Jon gibt seinen Job auf, um mit ihr nach Flatey zu ziehen, auf die Insel neben der Insel, oben, wo Island am nördlichsten ist.
Regisseur Baltasar Kormákur, von dem schon der wunderbare 101 REYKJAVIK stammte, erzählt Jons Geschichte nicht linear. Immer wieder wechseln die Zeitebenen, verteilt auf etwas mehr als ein Jahr. Die WHITE NIGHT WEDDING wird auf Flatey gefeiert, Jon ist der Bräutigam, die Braut aber heißt Thora und war eine von Jons jungen Studentinnen. 18 Jahre jünger. Typisch Mann! Typisch Mann? Nicht nur Mäuler zerfetzen sich darüber, auch Seelen. Das Jahr hatte es in sich, glücklicher ist Jon nicht geworden, denn die neue Begegnung mit Thora hat seine erste Ehe förmlich pulverisiert. Auf sehr tragische Weise ist er „frei“ geworden, aber längst nicht im Kopf und gleich gar nicht im Bauch.
Der Grundton ist ein konsequent schwebender, einer zwischen unweigerlicher Tragik und situationskomischen Begebenheiten. Die Hauptdarsteller Hilmir Snaer Gudnason, Margret Vilhjalmsdottir und Laufey Eliasdottir spielen sich nie ganz nach einer Seite aus, wobei der windschiefe Humor Nebensträngen und -charakteren vorbehalten bleibt. Was anders ist Jons bester Collegekumpel, der eigentlich die Kirchenorgel spielen soll, aber Nerven und Schuhe verliert! Was anders war der Plan, auf Flatey einen Golfplatz zu errichten! Nur eine fixe Idee, die Jon in arge Nöte gegenüber seinen neuen Schwiegereltern gebracht hat.
WHITE NIGHT WEDDING blickt sehr genau auf Menschen, er interessiert sich für sie auf unspektakuläre Weise. Vor allem aber ist er ehrlich, mit einem Nachschlag Hoffnung zwischendrin. Der „Blues der grauen Haare“ ist dabei ein Synonym für Neuanfang, und mag er noch so ernüchternd sein.
Originaltitel: BRÚÐGUMINN
Island 2008, 98 min
FSK 12
Verleih: Europe's Finest
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Hilmir Snaer Gudnason, Margret Vilhjalmsdottir, Laufey Eliasdottir
Regie: Baltasar Kormákur
Kinostart: 31.05.12
[ Andreas Körner ]