Michael Glawogger ist bekannt dafür, sich in seinen Dokumentarfilmen die großen Themen vorzunehmen. Auch diesmal dreht es sich wieder (wie schon in WORKINGMAN’S DEATH und MEGACITIES) um das Thema „Arbeit.“ Denn Prostitution, daran besteht kein Zweifel, ist harte Arbeit.
Glawogger selbst bezeichnet seinen Film als filmisches Tryptichon über die Sehnsüchte, Hoffnungen und Bedürfnisse von Huren in aller Welt. Um dieses Emotionstableau der Prostitution zu dokumentieren, besuchte er drei unterschiedliche Rotlichtviertel: Einen sogenannten „Fish Tank“ in Bangkok, Thailand, wo die Frauen in riesigen Schaufenstern ausgestellt werden, ein dicht besiedeltes Mega-Bordell in Bangladesch, in dem Hunderte Frauen auf engstem Raum ihre Kunden befriedigen und außerdem – mit ihren Kindern – ihr ganzes Leben verbringen. Außerdem betrat er die „Zona“ in Reynosa, Mexiko, ein mit Schranken gesichertes Huren-Dorf, wo die Kunden mit dem Auto ihre Runden drehen, bis sie gefunden haben, was sie suchen.
Glawogger geht von der Annahme aus, daß Huren mehr über die Beziehungen zwischen Männern und Frauen erzählen können als irgendjemand sonst. Schließlich hätten sie alles, was in diesen Beziehungen geschehen kann, am eigenen Körper, an Geist und Seele erlebt. Diese Grundannahme romantisiert die Prostitution mehr, als dem Film gut tut. Glawoggers Tendenz zum spektakulären Bild tut ihr übriges, um seinen eigenen Anspruch scheitern zu lassen. Gemeinsam mit dem Kameramann Wolfgang Thaler schafft er eine Art Tableau vivant der Prostitution und ist dabei sichtbar fasziniert von den glänzenden Oberflächen und seinen eigenen metaphorischen Deutungen. Und obwohl er keineswegs nur die glitzernden Vorderseiten zeigt, sondern auch die häßlichen Rückseiten, bleibt ein Blick unter die Oberfläche aus.
Dieser Film kommt niemandem nahe, fragt nicht nach Strukturen, Machtverhältnissen und Ursachen, sondern konstatiert lediglich, was der Fall ist. Aber genau diese rein beobachtende Haltung ist angesichts der Tatsache, daß Huren dem (männlichen) Blick grundsätzlich ausgesetzt sind, ausgesprochen problematisch. Das gilt noch umso mehr, wenn das Filmteam immer wieder Zeuge von Gewalt und Zwang gegen die Huren wird, aber nicht eingreift, sondern in der Beobachterposition verharrt. Zwar gelingt Glawogger auf diese Weise manch starkes Bild, inhaltlich überzeugend ist das aber nicht.
Österreich/D 2011, 118 min
Verleih: Delphi
Genre: Dokumentation
Regie: Michael Glawogger
Kinostart: 29.09.11
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.