Originaltitel: PAPA, SDOKHNI
Rußland 2018, 95 min
FSK 18
Verleih: Drop-Out Cinema
Genre: Psycho, Thriller, Komödie
Darsteller: Aleksandr Kuznetsov, Vitaliy Khaev, Evgeniya Kregzhde
Regie: Kirill Sokolov
Kinostart: 16.01.20
Es klingelt. Matvei, ein junger Typ, steht vor der Tür, in Mordabsicht. Dran glauben soll Andrei, Vater von Matveis Freundin Olya. Der langgediente Polizist ist allerdings zäh und denkt nicht dran, dem Titel demütig Folge zu leisten, weswegen zwischen Wohnzimmer, Küche, Bad eine Schlacht entbrennt, ausgefochten mit Fäusten, Zähnen, Knarren, Schlagbohrmaschine und einem alten Röhrenmonitor (geschätzte 19"). Das kostet nicht nur die Kniescheibe.
Dabei beobachtet: Es ist ungeachtet rund 30 Jahren Horrorfilmerfahrung durchaus verblüffend, was ein gängiges Teppichmesser, rabiat geführt, alles anstellen kann, die ins ungehemmt Absurde gesteigerte Gewalt flankieren außerdem erlesene Ekelhaftigkeiten – kombiniere beispielsweise Zunge und haarig versifften Abfluß. Robusten Magen und schräggestellte Komikneigung vorausgesetzt, fühlt man sich so prächtig unterhalten wie ein Kind im Bällebad, dort dominierende Farbe: Blutrot. Auch sonst heftig bunt, Regisseur Kirill Sokolov arrangiert regelrechte tableaux vivants in Comic-Ästhetik, grell und stilisiert, schrill schön.
Dann schellt’s erneut, Andreis Kollege Evgenich kommt vorbei, das Chaos (und nach brutalem Ringen doch zu Tode gebrachte Körper) zu beseitigen. Und als noch besagte Olya eintrifft, mutet der bisherige Zweikampf eher wie eine Kneipenklopperei unter betrunkenen Männern an. Nun informieren Rückblenden darüber, daß – mal simpel formuliert – jeder jedem gegen die Karre fuhr, darob Rachedurst bitterböse Anschuldigungen krächzende Kehlen ausdörrt und Irrsinn sämtliche Zurückhaltungsgrenzen öffnet.
Das verleiht jetzt der menschlichen Itchy & Scratchy Show ihren besonderen Twist, während physischer Exzess psychischer Veräußerlichung weicht, Seelennarben heiß pulsieren – ohne Verlust des perfiden Grundtons, aber geerdet genug, um ans nachvollziehbare Eingemachte zu gehen. Es brechen keine sorgfältig hininszenierten Überbauten zusammen, sondern völlig logische Abgründe brachial auf, weshalb wohl zwangsläufige Tarantino-Vergleiche direkt scheitern müssen. Solchen stinknormalen Zynismus traut sich der Bill-Killer einfach nie.
Immerhin eint ihn und Sokolov die Liebe zum schick gewebten Klangteppich: Während zur Duellsituation Westernharmonie herrscht, begleitet ein Mix aus instrumentaler „House Of The Rising Sun“-Version und “Fuck You!”-Polka den Abspann. Oh Du höhnische Elegie!
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...