• Meinungen

Wickie und die starken Männer (2009)

Ein starkes Stück Berechnung

Es war einmal ein richtig schlauer Junge, der zunächst im beschaulichen Bayern beim Radio kleinere Brötchen buk. Doch seine Schlauheit und nicht zuletzt sein Talent als Entertainer bescherten ihm bald eine eigene Fernsehshow, die glatt ein Hit wurde, und deren Figuren es alsbald gar auf die Kinoleinwand schafften, wo sie nichts weniger taten, als Zuschauer in Rekordscharen in die Kinos zu locken. Im letzten Jahr gelang dem schlauen Jungen, den sie Bully nennen, ein weiterer Coup: Er bekam den Zuschlag bei der Verfilmung einer auf einer Kinderbuchreihe basierenden Kult-Anime-Serie, zog von einer ­Castingshow bis zu Kinderüberraschungsfiguren alle Register einer gewieften Vorab-Vermarktung des Films und segelt nun unter der Flagge der mächtigen Constantin weiteren Rekorderfolgen entgegen. Next Stop: Hollywood.

Verglichen mit diesem Erfolgsmärchen wirkt die Story vom kleinen Wickie, der mit seiner Cleverness das heimische Wikingerdorf Flake vor allerlei Katastrophen bewahrt, fast etwas blaß: Wickie kann es seinem Papa, dem Wikinger-Chef Halvar, nicht recht machen. Statt auf Muskeln setzt Wickie auf Köpfchen und läßt Halvar damit ein ums andere Mal dumm dastehen. Doch als die Piratenkonkurrenz um den Schrecklichen Sven über Nacht alle Kinder des Dorfes – außer Wickie – entführt, um an den sagenumwobenen Schatz von König Töle zu gelangen, ist Wickies Einfallsreichtum gefragt, um die Rückeroberung des Dorfnachwuchses zu bewerkstelligen.

Mit WICKIE UND DIE STARKEN MÄNNER ist Bully ein temporeicher, überwiegend unterhaltsamer Kinderfilm gelungen, der sich von seinen Vorgängerfilmen vor allem darin unterscheidet, daß er aus Rücksicht auf sein Zielpublikum die richtig derben Zoten weglassen muß. Keine Schwulengags, keine Peniswitze, die Zuschauer über 12 müssen sich mit unschuldigem Slapstick-Humor und Jürgen Vogel als stotterndem Piraten begnügen.

Dennoch dürfte Herbigs vierte Leinwand­eroberung als Familienfilm prächtig funktionieren, denn wenn sich Herbig als „Deutschlands erfolgreichster Regisseur“ (Presseheft) auf eines versteht, dann den Konsensgeschmack der Deutschen zu treffen. Und so wird die Rechnung der starken Männer um Bully, die statt Piraten Produzenten gerufen werden, Bully + Wickie = Moneten sicher auch aufgehen.

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...