Originaltitel: WIDOWS
GB/USA 2018, 130 min
FSK 16
Verleih: Fox
Genre: Thriller, Drama
Darsteller: Viola Davis, Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki, Colin Farrell, Liam Neeson
Regie: Steve McQueen
Kinostart: 06.12.18
Oft knistert auch im Kino nicht gerade Liebe auf den ersten Blick, vor allem, falls der Film, welchem man sich gern zuneigen möchte, dies brüsk verwehrt. Durch keineswegs auf ranschmeißende Sympathie schielende Figuren, karge Gefühlswelten. Und schon hätten wir sie, unsere WIDOWS, in jenen furchtbaren Zustand versetzt, weil ihre kriminellen Männer während eines mißlungenen Überfalls vom Arm des Gesetzes aus dem Verkehr gezogen wurden. Endgültig und absolut gründlich sogar, da kann man nicht wegen mangelnder Entschlußkraft meckern, sondern kratzt lieber die kläglichen Überreste zusammen. Ein erster anklagender Fingerzeig, weitere folgen.
Um aber vorerst das anfängliche Gedankenspiel erneut aufzugreifen: Manchmal kriegt die Ablehnung Risse, man lernt das Gegenüber besser kennen, entdeckt verblüffende Qualitäten. Hier beispielsweise solche musikalischer Natur – kaum vorstellbar, einen Ausflug in kostbare Erinnerungen herzzerreißender zu unterfüttern als mit Nina Simones „Wild Is The Wind“, quasi Prototyp in Noten gegossener, todtrauriger Zerstörung sämtlicher Leichtigkeit. Jemand beweist Stilsicherheit und Geschmack, man erwärmt sich füreinander, langsam, vorsichtig. Dann verklingt Simones Stimme abrupt, und Veronica, ziemlich taff und eine der titelgebenden Witwen, bekommt bösen Besuch: Gangsterboss Jamal Manning will 1. der nächste Stadtrat sein und dafür 2. das Geld eintreiben, welches ihm Veronicas nun verstorbener Gatte Harry schuldete. Lockere zwei Millionen, zahlbar innerhalb unmöglich kurzer Frist, sonst erwartet sie Grausames. Was bald ein paar Hinrichtungen nachdrücklich bestätigen. Weshalb die unter extremen Druck Gesetzte selbigen an ihre Leidensgenossinnen weitergibt (Kooperation oder Verrat an Manning, so läuft das Spiel) und, Harrys Notizbuch hilft, einen eigenen gemeinschaftlichen Coup plant.
Mittlerweile mag man sich bereits irgendwie, hat bei Spitzen gegen Korruption und Vetternwirtschaft vermeintlich wissend genickt, war schockiert angesichts tödlicher Polizeiwillkür (deutliche Thematisierung aktueller Geschehnisse), verfluchte insgeheim eine eiskalte Mutter, pries Regisseur Steve McQueens bemerkenswerte Autofahrt vom Quasi-Ghetto ins Villenviertel und kreidete ihm an, dem Ensemble zu viel Freiraum zum Darstellen zu weniger subtiler Nuancen gegeben zu haben. Intensives Spiel allerorten, ja, indes ebenso hollywoodesk behauptet, sofern es Emotionen betrifft.
Da bleiben Reste interessierter Distanz, mancher wahrlich unerwartete Gag – grandios die Vertreibung einer Störenfriedin aus der Sauna – soll sie vielleicht aufweichen, es funktioniert bloß bedingt. Und jetzt? Schlägt die Stunde großer Enthüllung, ein gelungener Twist läßt Veronica endgültig mutieren: Maus zu Katze zu wilder Tigerin. Und plötzlich ergeben die eben noch recht autark nebeneinander existierenden Einzelteile ein fulminantes Ganzes, lose Stückchen verschmelzen, auf privater Ebene bitter, dazu schicksalhaft-vertrackt, wenn ein Mord aus Notwehr politischen Einfluß ausübt.
Weswegen sie schließlich doch auflodert, die echte, tiefe Zuneigung. Begleitend dabei: Gänsehaut zur letzten Szene. Wir sichten etwas bislang stets strikt Verweigertes, schmerzlich Schönes auf Veronicas Gesicht …
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...