Der schwedische Schnee ist das sprichwörtliche weiße Blatt, auf dem Daniel Daréus sein Leben noch einmal beginnt. Der berühmte Dirigent hat sich zur Genesung aus dem Musikgeschäft in sein Heimatdorf zurückgezogen. Daß ihm hier einst ein Kindheitstrauma eingeprügelt wurde, weiß niemand mehr. Der Pastor macht den ersten Überzeugungsversuch, der musikbegeisterte Gemischtwarenhändler bietet ein preiswertes Fahrrad und legt noch einen Trainingsanzug obendrauf, auf daß sich Daniel des dünnstimmigen Kirchenchores annehme.
So beginnt Kay Pollaks musikalisches Erweckungsmärchen für einen inwendig Toten, das mit dem Rückenwind des heimischen Publikumserfolges nun auch deutsche Herzen erweichen soll. Wie im Kinohimmel skandinavischer Provenienz fühlen sie sich an, diese skurrilen, sparsam aber treffend skizzierten Dorfbewohner, mit deren Hilfe der Profi schließlich sich und eine neue Liebe findet. In gemeinsamen Atem- und Kontaktübungen, in zahlreichen tragikomischen Mißverständnissen und Eifersüchteleien lockern sich Stimmbänder wie Gemüter. Aber Obacht!
Auf dem Weg in die Herzen, der hier zunächst so schlafwandlerisch beschritten wird, setzt das konventionell gefilmte Ensemblestück Speck an. Kein Bild, kein Auftritt, kein esoterisch aufgeladenes Heilsversprechen ist Pollak zu groß, um den Chor als metaphorische Erlösungsgemeinschaft zu rekonstruieren, in der auch die geschundenste Ehefrau endlich Schutz findet. "Amazing Grace" wird dann angestimmt, auch mal eine Daréussche Eigenkomposition, und doch hätte es für den angemessenen Rahmen wohl mindestens der "Marseillaise" bedurft.
Bekömmliches, schwedisches Knäckebrot hin oder her. Die anfänglich wendige Geschichte entwickelt sich zusehends zu einer emotionalen Wuchtbrumme, die als - wenn auch melancholische - Stimmungskanone manchmal gar nicht so weit neben SISTER ACT einschlägt. Daß das sentimentale Pummelchen im Rennen um den jüngsten Auslands-OSCAR auf der Strecke blieb, mag andere Gründe haben. Zum Beispiel einen Hauptdarsteller, der ein notorisch offenes Hemd mit einer weiten, sensiblen Seele verwechselt.
Originaltitel: S SOM I HIMMELEN
S 2004, 125 min
FSK 12
Verleih: Prokino
Genre: Tragikomödie, Liebe, Musik
Darsteller: Michael Nyqvist, Frida Hallgren, Helen Sjöholm, Lennart Jähkel, Per Morberg
Regie: Kay Pollak
[ Sylvia Görke ]