Irgendwo hinter dem Mond gibt es ein Dorf, in dem es gleichgültig scheint, daß bei einer Drehung der Welt der Kommunismus weggefegt wurde und der Kapitalismus kam und dessen größte Attraktion ein durchgeknalltes Michael-Jackson-Double namens Laska ist. "Existenzen" auch der Rest der Dorfgemeinde. Gebrochene Träume, unerfüllte Sehnsüchte und viel Alkohol.
Jana ist mit einem Kind sitzen geblieben. Boska, die Tochter der Dorfhure, hilft ihr im Kiosk, kämpft verbissen gegen Vorurteile und wünscht sich nichts sehnlicher, als zu verschwinden. Alle sind unzufrieden. Außer Kaja. Mangels geistigen Engagements, wie sein Vater, ein intellektueller Melancholiker, meint. Schweigsam und mit unerhörter Trägheit weigert sich Kaja, darüber nachzudenken, daß die Welt zwischen der Horizontalen der Tatsächlichkeit und der Vertikalen der Möglichkeit dahinschlittert. Und noch nie kam ihm die Idee, seinem Bruder zu folgen, der das Dorf verließ, um Ingenieur zu werden. Anders als seine spielsüchtige Oma vermutet, ist Kaja aber eines nicht: "irgendwie asexuell". Und der Gegenstand seiner kaum merkbaren Annährungsversuche ist Boska. Die ganze festgefahrene Situation beschleunigt sich, als der gescheiterte "Ingenieur" Petr unerwartet seine Familie besucht. Aber mit welchem Ziel? Um seine große Liebe Jana zu sehen, um seinen Bruder abzuholen oder am Ende gar um zu bleiben?
Dorfkomödie, Liebesfilm, Heimkehrerdrama, Coming-of-Age-Geschichte. Alle Kategorien treffen zu. Diese Mehrfachbelichtung scheint auf den ersten Blick ein Fehler des Filmes zu sein, der sich Zeit läßt, bis das eigentliche Handlungsmuster hinter dem Personal erkennbar wird. Dafür entfaltet sich ein burleskes Dorfporträt, ein bunter Flickenteppich, in dem jede Menge skurrile, komische und auch tragische Figuren verwoben werden. Gerade das erweist sich aber als gute Vorbereitung auf den Hauptkonflikt. Von unsichtbarer Hand geführt, ist der Zuschauer selbst schon mitten drin in diesem Alltagsleben und fühlt sich spätestens zum obligatorischen Dorffest wie unter alten Bekannten, wenn die ungleichen Brüder und die Damen vom Kiosk sich für einen Abend auf einen anderen Planeten katapultieren.
Ein Debütfilm in der schönsten Tradition des tschechischen Kinos: liebenswürdig, philosophisch, berührend und absolut schräg.
Originaltitel: DIVOKÉ VCELY
Tschechien 2001, 94 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Liebe, Komödie, Schräg
Darsteller: Zdenek Rauser, Tatiana Vilhelmová, Pavel Liska
Regie: Bodan Sláma
Kinostart: 25.09.03
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...