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Willenbrock

Die Angst, die Russen und ein Revolver

Dani Levy nannte Andreas Dresens Filme "privatistisch" und trifft damit jene charakteristische Kleinheit jenseits der Kleinlichkeit, die Ausrichtung an einem naheliegenden Horizont. Dresens Christoph-Hein-Adaption spielt nun in Magdeburg - eine geographische Verschiebung weg vom Buch (dort ist es Berlin), durch die sie sich nahtlos in seine Erzähllandschaften zwischen Rostock und Frankfurt/Oder einzufügen scheint. Und doch ist die Luft hier anders, poetischer.

Aus Heins Roman und dessen etwas dürrer Sprache stammt sie nur zum Teil. Eher wohl aus einem guten, um- und verdichtenden Drehbuch. Im Film hat die Figur Willenbrock, nicht zuletzt durch die Physis und unnachahmliche Präsenz von Axel Prahl, mehr Fleisch bekommen. Er ist Gebrauchtwagenhändler mit russischer Stammkundschaft, Haus- und Zweithaus-Besitzer sowie versierter Seitenspringer. Seit Jahren mit der Professorin Vera, demnächst vielleicht mit der Studentin Anna. Zuhause gibt’s danach immer Blumen - Susanne weiß dann schon Bescheid.

Was anfänglich wie ein (auch erotisch) aufmunterndes Gegenbild zur ostdeutschen Depression aussieht, steigert sich zur Analyse eines trügerischen Lebensgefühls: Sicherheit. Sie ist Willenbrocks Achilles-Sehne, an der zunächst mit Einbrüchen auf dem Geschäftsgelände und dem erschlagenen Hund des Wachmanns gezupft wird. Sie reißt, als Bernd und seine Frau in ihrem Landhaus von vermummten, vermutlich russischen Gangstern überfallen werden.

Erster Einsatz für die Handkamera, Dresens altem Authentizitätskomplizen. Sie liefert gewaltvolle, nachtschwarze Sichtfetzen vom Tatort, die weder Willenbrock noch die Zuschauer vergessen können. Die hereingebrochene Angst und eine geschenkte Pistole bringen das in Gang, was der Regisseur als "Menschwerdung" bezeichnet - im Rücken die schemenhafte Bedrohung aus dem noch tieferen Osten. Metaphorisch wie konkret deinstalliert Dresen Willenbrocks innere Rundumversicherung, die bisher alle Schäden in Liebe und Vertrauen abdeckte.

Neben teils kunstvoller als früher komponierten Bildern findet er dabei auch diesen besonderen "Dresenschen" Humor der schiefen Situationen um widerspenstige Möbel und verbrauchten Alltag wieder, der zuletzt HALBE TREPPE adelte. Hier macht er sich damit einen fremden, ernsten Stoff wunderbar zu eigen.

D 2004, 108 min
Verleih: Delphi

Genre: Literaturverfilmung, Tragikomödie

Darsteller: Axel Prahl, Inka Friedrich, Anne Ratte-Polle, Dagmar Manzel, Christian Grashof, Tilo Prückner

Stab:
Regie: Andreas Dresen
Drehbuch: Laila Stieler

Kinostart: 17.03.05

[ Sylvia Görke ]