Originaltitel: ROTZBUB
Österreich/D 2021, 85 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Computeranimation, Komödie, Satire
Regie: Marcus H. Rosenmüller, Santiago Lopez Jover
Kinostart: 07.07.22
„Ich zeige die Leute so, wie sie sind. Was ich mache, ist eine Art von Fotorealismus.“ So postulierte es einst in einem Interview der österreichische Karikaturist und Grafiker Manfred Deix (1949-2016). Der nun war, das kann man mit allem Respekt sagen, ein künstlerischer Grobian, ein polternder Provokateur aus Überzeugung, der mit seinen Bildern das bigotte, verlogene, dauerbraune Österreich (und auch das kann man jetzt so sagen, mit allem Respekt) nachgerade zugeschissen hat. Wut und Ekel und die Lust daran wohl auch sind ja gerade in der österreichischen Kunst beliebte Stimulanzen. Zeigt sich bei Deix besonders grell. Und man konnte somit durchaus gespannt sein, was aus diesen Stimulanzen wird, wenn sich ihnen ein deutscher Regisseur wie Markus H. Rosenmüller aussetzt. Wobei: Rosenmüller ist ja Bayer, also eher so etwas wie ein preußifizierter Ösi. Und tatsächlich – seinem Film WILLKOMMEN IN SIEGHEILKIRCHEN merkt man das an!
Und das, obwohl es Rosenmüllers erster Animationsfilm ist. Der transferiert ausgesprochen gekonnt Deixsche Bildwelten auf die Leinwand und plaziert zudem dezent kleinste biographische Eckpunkte des Künstlers in die Handlung. Die führt in eine österreichische Gemeinde der 60er, wo der allseits nur Rotzbub genannte Sohn der örtlichen Wirtsleute mit seiner Pubertät kämpft. Und sonst am liebsten dem wohl einzigen Talent frönt, das er hat – dem Zeichnen. Als der Rotzbub der hübschen Mariolina begegnet, sieht er sich plötzlich einem mehrfachen Erwachen ausgesetzt: künstlerisch, hormonell – und politisch irgendwie auch. Denn Mariolina ist „a Zigeunerin“ und „so was“ sieht man hier natürlich gar nicht gern. Wie sie eben sind, die Leute – und wie Rosenmüller sie zeigt, mit jenem „Fotorealismus“ à la Deix, der ganz klar ein Synonym für „Drastik“ ist, einer Drastik, die dann auch WILLKOMMEN IN SIEGHEILKIRCHEN pflegt. Nur daß „pflegt“ das entscheidende Wort ist: Denn recht gepflegt zeigen sich hier Wut, Ekel und die Lust daran. Sind, wenn man so will, gesäubert, zur Ordnung gerufen. Um nicht preusifiziert zu sagen.
Das Lächerliche bigotten Provinzialismus’ zeigt der Film durchaus und ist darin fraglos unterhaltsam. In dieser Unterhaltsamkeit aber riecht man all das, was an diesem Provinzialismus zum Himmel stinkt (die Dumpfheit, Verächtlichkeit, Brutalität), selbst dann nicht mehr, wenn aus diesem Himmel final wahrlich stinkender Niederschlag fällt.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.