D 2018, 130 min
FSK 16
Verleih: W-Film

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Ricarda Seifried, Thomas Schubert, Jean-Luc Bubert, Victoria Trauttmansdorff, Lars Eidinger

Regie: Jan Bonny

Kinostart: 21.03.19

2 Bewertungen

Wintermärchen

Häßlich geht der Mensch zugrunde

Tommi und Becky, beim schnellen Abchecken ein Paar ähnlich vielen anderen, mit sich wegguckenden Gesichtern, problemzonenversehenen Körpern, einer dämmerschlafenden Beziehung. Becky weint recht häufig, zum Beispiel dann, wenn Unbekannte einander leidenschaftlich küssen, was Tommi „Scheiß“ nennt, sich lieber hinter der Gitarre verschanzt. Ansonsten stammt die junge Frau aus vornehmem Haus, bespaßt in Babysitterfunktion hingebungsvoll kleine Mädchen. Und drängt den zögerlichen Tommi, Menschen dunklerer Hautfarbe abzuknallen. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich Maik auf, die Mordserie beginnt tatsächlich …

Der kurze Titelblick läßt sofort an Heine denken, inklusive automatischer gedanklicher Erweiterung um „Deutschland“, Letzteres hier ein wahrer Sumpf. Regisseur Jan Bonny geht da wohl zwangsläufig das Plakative zur Hand, allerorts grölen normal wirkende Leute dumpf Idiotisches, rassistischer Haß scheint einziges humanes Ausdrucksmittel. Quasi Bonnys lärmend-aufrüttelnde Kampfansage gegen extremistischen Dünnpfiff, der heutzutage öffentlich kursiert, Auge um Auge?

Seine Gewaltdarstellung stößt parallel notwendigerweise an Erträglichkeitsgrenzen, wogt manchmal darüber hinaus, sowohl physisch als auch psychisch: Statt Kommunikation innerhalb des Trios gibt’s Gebrüll, Erniedrigung substituiert Nähe, dazu ständiges Ficken. Jeder nimmt jeden, Triebbefriedigung, Zeit totschlagen, überhaupt was fühlen, zum puren Reinstecken („Aua!“) und Rausziehen („Ich hab’ Hunger …“) verkommene Akte. Gnädige Dunkelheit verhüllt Details, die Welt verlor ihr Licht, und final macht es sich der Ärzte-Track „Schrei nach Liebe“ doch zu leicht, indem er dort schlichte Dummheit unterstellt, wo Bonny tiefer gräbt und vertrocknete Überreste dreier Menschen findet, denen Sprach-, Emotions-, Perspektivlosigkeit in Hirn und Herz kotzen. Empathie? War mal – vielleicht. Heute betäuben ausgelassene Feierlichkeiten im Anschluß an die Attentate, übernahm wahnhaft-perfide verdrehtes Gieren nach irgend-einer Aufmerksamkeit. Ließ trotzdem Raum für Tommis Beteuern, ein Guter zu sein, sicher glaubt er selbst wirklich dran. „Arschloch“, den Ärzten folgend? Nein, Feigling.

Ein ultimativ häßlicher Film will, soll, muß gesehen werden. Oder besser: durchgestanden. Bonny nennt ihn „eine Zumutung für den Zuschauer“ und fordert „eigenes Denken und Handeln“ – wer traut sich?!

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...