Im Oktober 2006 streiken die Insassen des Flüchtlingslagers Blankenburg/Oldenburg wegen miserabler Lebensbedingungen, und kurz darauf gründen drei der Betroffenen – Leo und Rodrigo kommen von der Elfenbeinküste, Makombe aus Kamerun – die Band „Les réfugiés.“ Mehrandokht Feizi, selbst Asylbewerberin, und Rebekka Schaefer haben die Band über zehn Monate lang mit der Kamera begleitet, und entstanden ist ein Film, der sicher keinen Cineasten vergnügt, aber ein Thema mit trauriger Daueraktualität aufgreift.
Leo, Rodrigo und Makombe erzählen hier von ihrem Leben im Lager bei totaler Überwachung, von der Sehnsucht nach individuellem Freiraum und von ihrer permanenten Angst vor Abschiebung. Ihre Songtexte, überwiegend französisch und deshalb im Film untertitelt, behandeln die momentane Lebenssituation, aber auch Themen wie Rassismus und Kolonialismus sowie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Was die Filmemacherinnen hier beobachten, ist ein Ausbruchsversuch aus der verordneten Isolation, sind mutige Schritte der Musiker, ihren Protest nach außen zu tragen. Die Aussagen illustrierend, fokussiert die Kamera auf Zäune und Tore des Lagers und auf die Umgebung, eine beschauliche Landschaft mit kaum befahrenen Straßen. Bei Konzerten der Band ist sie bemüht um Stimmungsbilder von tanzendem Publikum. Außer den Flüchtlingen selbst kommen Freunde, Unterstützer und Sympathisanten zu Wort, so beispielsweise ein Oldenburger, vorgestellt als „MiRo“, der die „Authentizität“ der Musik lobt und die Gigs der Band organisiert. Ein namentlich nicht genannter „Aktivist des Antirassistischen Plenums“ fungiert über die Länge des Films als Aufklärer, der parallel zu Stichworten der Flüchtlinge Begriffe und ihre Bedeutung erläutert, was hilfreich ist und manche, nahezu perfide Absurdität der bundesrepublikanischen Gesetzgebung erinnert.
Zugleich offenbart sich hier aber die große Schwäche des Films, seine Einseitigkeit. Als Bandporträt scheitert er an zu großer Distanz. Er kommt drei Flüchtlingen nahe, nicht aber den drei Persönlichkeiten. Und als kritischer Dokumentarfilm, der die Situation von Tausenden in diesem Land thematisiert, ist er unvollständig, da jede Kontroverse fehlt. Allein der Versuch, mit politisch Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen, wäre inhaltlich ein Gewinn gewesen. So aber bleibt der Ausdruck solidarischer Betroffenheit dominierend und die Aussage des Films dort, wo die Protagonisten herkommen – in der Isolation.
D 2008, 60 min
Verleih: Eigenverleih
Genre: Dokumentation
Regie: Mehrandokht Feizi, Rebekka Schaefer
Kinostart: 07.05.09
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.