Originaltitel: HUNT FOR THE WILDERPEOPLE

Neuseeland 2016, 105 min
FSK 12
Verleih: Sony

Genre: Tragikomödie, Roadmovie

Darsteller: Julien Dennison, Sam Neill

Regie: Taiki Waititi

Kinostart: 15.06.17

7 Bewertungen

Wo die wilden Menschen jagen

Sommerkino, wie man es sich wünscht

Er wirkt ja erst einmal alles andere als einnehmend. Vorbestraft, maulfaul, mürrisch, übergewichtig – Ricky ist ein Alptraum von Teenager. Mit der Welt auf Kriegsfuß, vom Leben schon arg gebeutelt. Aufgewachsen ohne Vater, von der Mutter verlassen, randvoll mit Wut, Mißtrauen, Schmerz. Ein echter Problemfall, den Sozialarbeiterin Paula in die neuseeländische Wildnis verfrachtet. Auf die Farm von Bella und Hec. Die nämlich sollen Rickys neue Pflegeeltern werden. Worauf der Junge so gar keinen Bock hat. Allerdings: Wo Hec erst einmal auf den verstockten Ricky entsprechend verstockt reagiert, gelingt Bella nach Startschwierigkeiten tatsächlich eine Annäherung. Doch das Schicksal meint es mit Ricky offenbar wirklich nicht gut. Just, als der sich zu öffnen, sich etwas wie ein Familienleben inklusive rauhbeinig auftauendem Hec und süßem Hund zu formieren beginnt, stirbt Bella. Für Ricky heißt das, so verlangt´s das Gesetz: zurück ins Pflegeheim. Nichts, was der weniger will. Und nichts, was Hec zulassen wird.

Schon mit 5 ZIMMER KÜCHE SARG überraschte der neuseeländische Autor, Schauspieler und Regisseur Taika Waititi mit eigentümlichem Humor. WO DIE WILDEN MENSCHEN JAGEN schließt da nahtlos an. Eine Tragikomödie, warmherzig, kauzig, poetisch. Mit einem schrägen Blick für Charaktere und Situationen, der gerade aus dieser Schräglage heraus einige grundlegende Lebensdinge ins rechte Licht, oder besser gesagt, geraderückt. Es ist diese ja nicht allzu häufige Kunst kleiner treffender Szenen, diese Fülle in aller Stille beredter Momente, die hier zu bestaunen ist. Da genügen Blicke und Gesten oder auch so scheinbare Kleinigkeiten wie eine Wärmflasche in den Armen oder ein Blätter-Walkman auf den Ohren. Was umgekehrt nicht heißt, daß es nicht auch mal krachiger zugeht in diesem Film, der ja schließlich eine Abenteuergeschichte erster Güte erzählt.

Sind Ricky und Hec doch bald auf einer Flucht vor Polizei und Militär (und da reden wir noch gar nicht von Sozialarbeiterin Paula), die sie in die wildeste Wildnis, haarsträubende Situationen und ein Finale führt, bei dem die Ereignisse Kobolz schießen. Das allerdings auch dank eines gut aufgelegten Sam Neill (Hec) immer schön knarzig lebensecht. Was den alten Waidmann und das dicke Problemkind (hinreißend: Julian Dennison) zum wahrlich speziellen Kino-Dream-Team macht. Witzig und berührend – vielleicht der Film dieses Sommers.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.