Originaltitel: C’EST QUOI CETTE FAMILLE?!
F 2016, 95 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen
Genre: Komödie
Darsteller: Julie Gayet, Thierry Neuvic, Julie Dépardieu, Lucien Jean-Baptiste, Claudia Tagbo
Regie: Gabriel Julien-Laferrière
Kinostart: 17.05.18
Im Kinojahr 2016 war’s, da erblickten gleich zwei neue Genres das Saallicht: die Wohnkomödie und der Saunafilm. WOHNE LIEBER UNGEWÖHNLICH gehört nun erstmals sozusagen beiden an – die Wohnkomödie lugt ja bereits frech aus dem Titel, und außerdem geht es richtig heiß her! Logisch, nimmt man die Welt aus Bastiens Sicht wahr. Seine Mutter konfrontiert uns direkt mit statistischen Zahlenreihen und desillusionierten Betrachtungen zur Ehe bzw. deren unbedingt eintretender Scheidung, was erklären soll, warum sie ständig heiratet und mit dem frischen Partner adäquaten Nachwuchs kriegt. Da sich die abgelegten Männer ebenfalls weiter verpaaren, geriet die Familiensituation sukzessive aus dem Ruder, konkret kommen auf Bastien sowie sechs Halbgeschwister rechnerisch stolze acht Elternteile. Das führt, neben permanenten Ortswechseln der mehr oder weniger Kleinen, zum Streß für alle – es kann bei der aktuellen Geliebten recht fatale Mißdeutungen auslösen, wenn die Freundin des pubertierenden Sohnes, jeglicher Verhüllung beraubt, orgiastisch jauchzend den Flur entlanggaloppiert …
Ein unhaltbarer Zustand, finden die Sprößlinge jetzt, treten geschlossen in den Streik, besetzen ohne entsprechende Information das ehemalige Luxus-Domizil einer toten Oma und warten ab. Eine andere Großmutter durchschaut das Treiben zwar zufällig, aber diese spezielle Verwandte genießt innerhalb der Sippe nicht gerade den glänzendsten Ruf: Freund Alkohol schwer zugetan, schwankt sie nicht bloß auf Feiern orientierungslos daher, ruft zur größten Zuschauerbegeisterung Grenzbenebeltes à la „Ich bin’s, Eure Omi! Huhu!“ aus und ist landläufig schlicht als „Die Alte“ bekannt. Ein leichtes Erpressungsopfer also, weswegen ihre Entdeckung statt eines Klimax’ nur den Startpunkt folgender, Stabilität in sämtlichen Belangen anstrebender Revolution setzt.
Eine Horde schon verfrüht gestörter und beziehungstechnisch vollständig jeder Hoffnung beraubter Kinder, übrigens verblüffend unnervig und mit echtem Talent gemimt, im Auflehnungsmodus gegen ihre gleichermaßen zur Erziehung Berechtigten und Verdammten – was spaßig klingt, löst das Versprechen tatsächlich fast gänzlich ein, wann immer ein Handlungsstrang an Kraft verliert, springt ihm ein unvermittelter Dreh zur Seite. Lediglich am Ende, als sich die hübsche Idee schließlich nahezu ausgereizt hat, könnte das Gefecht etwas straffer toben; an der starken Sympathieneigung rüttelt das indes keineswegs. Es macht Laune, wie per se ernste Themen – Lebensplatzsuche, familiärer Zusammenhalt – launig verpackt werden, in herrlich überspitzte charakterliche Prototypen und tiefe Emotionen, durch eine hohe Gagdichte nie gedeckelt. Umgekehrt bleibt die Komödie stets eine solche, dient nicht als ungeliebter Aufhänger für ein irgendwann bleiern hervorbrechendes Drama, angesichts dessen man sich für den bisher gehabten Spaß regelrecht schämen muß.
Sehr gelungen, all das, zumal jene Komik nach manchem Totalausfall wieder an bessere französische Lustspielzeiten erinnert, vielfältige treffliche Angebote unterbreitet. Soll es die Läuterung eines listig aus der Reserve gelockten, allein über Skype existenten Vaters sein? Oder dürfen ziemlich böse Alzheimer-Scherze entspannt auf jegliche politische Korrektheit pfeifen? Und zum schönen Schluß gibt’s im beiläufigen Satz noch die fortbildende Antwort auf eine spannende Frage: Wen oder was bezeichnet eigentlich eine „Schwusine“?
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...