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Wolfzeit

Böse neue Welt

Dieses Bild kennen wir schon aus einem früheren Haneke-Film: Eine Familie fährt durch sattgrüne Landschaften, das Ziel verspricht Entspannung, Ruhe, Gelassenheit. Georges und Anne betreten mit ihren Kindern das Ferienlandhaus und werden plötzlich bedroht. Eine fremde, verwahrloste Familie hat sich hier eingenistet, und der Mann zielt mit einer Flinte auf die Laurents. Es wird geschrieen, geweint, gedroht, gefordert. Bis Georges erschossen wird und Anne mit dem kleinen Ben und dessen Schwester Eva fliehen kann. Das ganze Dorf scheint gespenstisch, ehemals gute Bekannte raunen durch halbverschlossene Türen "Warum sind Sie überhaupt hergekommen?".

Anne versteht nicht wirklich. Es herrscht der Ausnahmezustand, Versorgungsengpässe haben die Menschen wieder zu Wilderern gemacht, ein kleiner Haufen wagt den neuerlichen Zusammenhalt, aber auch da brodeln schon Ur-Instinkte, da keimt das Bestialische unter der Brust.

Haneke spielt den E-Fall durch, in einer unbestimmten Zeit, in einer Gegend, die so gar nichts Futuristisches hat. Feuchte Wiesen, üppige Wälder und mittendrin der viehische Mensch. Er inszeniert das klassische Wechselspiel von Opfer und Jäger, gemeinschaftlicher Hingabe und egomanischer Despotie, von Charakter und Schwäche. Haneke verteilt wie immer keine Sympathien, er ist zwar moralischer Wächter, dennoch kein verurteilender, um Allwissen heischender Ränkeschmied.

Aus diesem irgendwie kühl arrangierten Kosmos aus Unterdrückung und Lebensmut, aus klinischer Katastrophe und aseptischer Emotion, gehen wieder einmal Kinder als die menschlichen Sieger hervor. Es ist der kleine Ben, der bereit zur Veränderung und vielleicht auch nur zu lebensmüde ist, um sich in der Katastrophe einzunisten. Diese Hinwendung zum Freiheitlichen ist bei Haneke - wie soll es auch anders sein - natürlich radikaler und sehr drastisch formulierter Natur.

Schließlich Isabelle Huppert, die als Anne noch verwundbarer als sonst, deren Haut noch blasser und deren Stolz dabei ungebrochen scheint. Vielleicht war Haneke vor allem daran gelegen.

Originaltitel: LE TEMPS DU LOUP

Österreich/F/D 2003, 113 min
Verleih: Ventura

Genre: Drama

Darsteller: Isabelle Huppert, Patrice Chereau

Regie: Michael Haneke

Kinostart: 29.01.04

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.