Der schon jahrelang andauernden Faszination Marion Hänsels für Wolken kann man Glauben schenken. Folgt man ihren Bildern, wird schnell deutlich, daß die belgische Regisseurin in ihrem Dokumentarfilm vor allem auf die kontemplative Kraft der Himmelsgebilde setzt.
Marion Hänsels Reise mit den Wolken führt den Zuschauer in alle Teile der Welt. Ob in Kapstadt oder im Regenwald, über der Wüste oder brodelnden Geysiren - Wolken verdecken nicht nur die Sonne oder sind gerade mal nicht da. Sie sind schön oder bedrohlich, mal abenteuerlich und mal verspielt, hell oder düster. Sie häufen sich oder sind scharf abgegrenzt, sie sind hoch, mittelhoch oder tief ...
Es bedarf keiner technischen Raffinessen und Tricks (ausgenommen der Zeitraffer) für einen solchen Film - Wolken sind an sich bewegte Bilder. Die vorgefundenen, sich ständig verändernden Gebilde sind ein endloser Fundus, aus dem die Regisseurin reichlich schöpft. Konturen bekommen die einzelnen Bildkompositionen, indem sie einem Rhythmus folgen. Gegliedert wird der Film durch Sequenzen mit Briefzitaten an den Sohn der Regisseurin. Ohne Pathos von der Sprecherin (in der deutschen Fassung Barbara Auer) gleich einem Zwiegespräch gelesen, wollen diese unaufdringlich sein und die persönliche Komponente des Films markieren. Dabei sind diese Briefe - geschrieben vom Beginn der Schwangerschaft bis hin zur langsamen Ablösung des erwachsenen Sohnes - von einer Intimität, die diesem Anspruch zuwiderläuft. Mag es daran liegen, daß diese Form der Gliederung die Erwartung einer Geschichte indiziert - fortan hangelt man sich von Zitat zu Zitat, und die Wolkenstücke ziehen sich in die Länge. Wenn sich dann wie zufällig noch eine zeitkritische Dimension auftut - Wolken über chemischen Industrieanlagen - wird die Verwirrung perfekt.
"Meine Filme sind zu fragil", steht in einem der Briefe. Vielleicht trifft dies auch auf WOLKEN zu. Dem Kinobesucher wird es nicht leicht gemacht, sich einzulassen. Zum einen, weil die gewählte Form ein Weitergehen nicht nur erlaubt, sondern zwingend macht. Zum anderen - und dies mag schwerer wiegen - weil sich die Frage auftut, wohin.
D/Belgien 2001, 75 min
Verleih: Pegasos
Genre: Dokumentation, Poesie
Regie: Marion Hänsel
Kinostart: 30.05.02
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.