Woran denkt man wohl zuerst, wenn das Wort "Casablanca" fällt? Vermutlich Michael Curtiz’ Film aus dem Jahre 1942. Und tatsächlich hat WWW mit diesem Klassiker manches gemeinsam: Sie teilen den Handlungsort, stellen eine überschaubare Personenzahl in den Fokus und sind grundsätzlich Liebesgeschichten, bieten aber darüber hinaus noch so einiges mehr.
Hier zum Beispiel einen Protagonisten mit dem hübschen Namen Kamel, welcher seine Brötchen als Auftragskiller verdient. Nach erledigtem Job entspannt er sich gern bei der Putzfrau und Gelegenheitshure Souad, wiederum beste Freundin von Kenza, einer Polizistin, welche das offensichtlich karge Gehalt aufbessert, indem sie ihr Handy verleiht. So weit, so schrill. Da wundert es gar nicht, wenn Souad mit ihrem Staubsauger spontan ein Tänzchen auf den Teppich legt, oder Kenza wie eine Ballettchoreographin den Verkehr regelt. Zwischendrin gibt’s per Texteinblendung wichtige Infos à la "4:12 Uhr – 1.2000.000 Schlaflose – davon drei Mörder", man will ja auf dem Laufenden bleiben. Ein Ende der burlesken Fahnenstange ist jedoch noch lange nicht in Sicht; ganz kompliziert wird es, als sich Kamel und Kenza verlieben. Der Verbrecher und die Gesetzeshüterin, in Zuneigung vereint? Das kann kaum klappen, zumal nun auch Hacker Hicham, der Kamels Identität geknackt hat, am Treiben teilnimmt. Auf zur fröhlichen Jagd, bei der jeder jedem mißtrauen muß!
Jetzt verschwimmen endgültig sämtliche Grenzen, fließen Genres nahtlos zusammen und weiß man gar nicht mehr, wo man zuerst hinschauen soll, um bloß keinen einzigen durchgeknallten Einfall, keine schräge Aufnahme oder unerwartete Wendung zu verpassen. Immer wahnwitzigere Züge nimmt die Handlung an, wirft alles bislang Gesehene permanent über den Haufen, während Kamel zwischendrin mal kurz den Transvestiten gibt, oder das Geschehen plötzlich als Trickfilmsequenz weitergeführt wird, weil das Kino es eben erlaubt.
Sicher kann nicht jeder Zuschauer den hier omnipräsenten Irrwitz mögen, zumal die blutig-zynische Pointe irgendwie aufgesetzt wirkt. Aber anschauen sollte man diese überquellende Zelluloid-Wundertüte unbedingt. Und sei es einfach nur, um seine eigenen Sehgewohnheiten einem Härtetest zu unterziehen.
Originaltitel: WWW - WHAT A WONDERFUL WORLD
F/D/Marokko 2006, 99 min
Verleih: Kairos
Genre: Komödie, Schräg
Darsteller: Faouzi Bensaidi, Nezha Rahile, Fatima Attif, Hajar Masdouki
Stab:
Regie: Faouzi Bensaidi
Drehbuch: Faouzi Bensaidi
Kinostart: 10.07.08
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...