Originaltitel: YALOM'S CURE
CH 2014, 77 min
FSK 0
Verleih: Alamode
Genre: Dokumentation, Biographie
Stab:
Regie: Sabine Gisiger
Drehbuch: Sabine Gisiger
Kinostart: 02.10.14
Irgendwie hat psychologische Hilfe ja oft noch einen mäßigen Ruf, nur Verrückte gehen zu solchen Quacksalbern und ähnliche Polemik ist bekannt. Irvin D. Yalom, seit vielen Jahrzehnten eine, vielleicht gar „die“ Koryphäe der existentiellen Psychotherapie, tritt ganz locker an, dies zu widerlegen. Er plaudert einfach los. Über Methoden seines Schaffens, die wichtigen humanen Fragen. Yalom zitiert berühmte Philosophen, enthüllt Privates, meißelt Überdenkenswertes in verbalen Stein – zum Beispiel, daß jeder Mensch zwar ein Produkt der Eltern, deswegen aber keinesfalls von Verständnis für deren Handeln und sowieso Selbstreflexion entbunden sei. Mögen es sich jene Zeitgenossen merken, welche immer jammernd die Schuld bei anderen suchen.
Dazu bricht Regisseurin Sabine Gisiger das übliche Doku-Konzept „Setze jemanden redend vor die Kamera“ auf, findet zum als Off-Kommentar gesprochenen Wort häufig zunächst unpassende, bei näherer Betrachtung jedoch konform gehende Bilder. Ein facettenreicher Musikteppich trägt zur Kinotauglichkeit bei, audiovisuelle Stimulanz lockt, und der Geist kommt bei alldem selbstredend nie zu kurz. Weil Yalom feine Ironie einzustreuen weiß, nirgends gelobhudelt wird, Archivaufnahmen wie die eines nach Hirnschlag der Lebensaufgabe „Arbeit“ beraubten, regelrecht verzweifelten Chirurgen nachhaltig ergreifen. Und Yalom Zweifel oder Fehler eingestehen kann; unter anderem, die herrische Mutter quasi ignoriert, Konflikte nicht gelöst zu haben. Sollte bloß ein einziger Zuschauer da angesichts der familiären Lage umdenken, hätte jener Film Großes bewirkt.
Was er allerdings auf anderer Ebene eh tut, schon allein beim Analysieren einer tiefen Liebe: Irvin und Gattin Marilyn, seit 1954 verheiratet. Zwei Seelenverwandte, stets bereit, Probleme mittels Kommunikation zu bewältigen. Ein Ehepaar, den Unterschied zwischen „Falling In Love“ und „Staying In Love“ kennend. Dabei derart niedlich zusammen, daß man manchmal vor Rührung Gänsehaut bekommt. Etwa dann, wenn Marilyn trocken feststellt, ihren Irvin bestimmt nicht wegen seines tollen Äußeren gewählt zu haben ...
Machen wir abgesehen davon schließlich indes erneut Gisiger ein Kompliment. Wie sie hier nämlich in weniger als 80 Minuten unglaubliche thematische Vielfalt komprimiert, ohne zu hetzen, verdient letztlich Respekt, Anerkennung und nur ein Urteil: brillant.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...