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You Can Count On Me

Klug und unaufgeregt erzähltes Geschwisterdrama

Terry ist wieder da. Vor Jahren schon hat er seine Heimatstadt Scottsville verlassen. Zuletzt bekam seine Schwester Sammy, die hier ihren Sohn Rudy allein erzieht und das Kaff wohl nie verlassen wird, eine Karte aus Alaska. Ihre aufrichtige Wiedersehensfreude wird allerdings schon in den ersten Minuten der Begegnung getrübt, denn Terry beichtet ihr einen Gefängnis- aufenthalt und teilt ihr auch gleich noch mit, daß er Geld braucht und eigentlich gleich wieder verschwinden will.

Kenneth Lonergan braucht keine umständlichen erzählerischen Exkurse, um dieses ungewöhnlich enge und doch von so vielen zu hohen Erwartungen und Mißverständnissen geprägte Geschwisterverhältnis auf den Punkt zu bringen. Der Autounfall der Eltern in der Anfangssequenz genügt für die Ahnung einer durch gemeinsamen Schmerz und gegenseitige Fürsorge unauflösbaren Verbindung zwischen den beiden. Das erste kurze Treffen nach Jahren zeigt knapp aber präzise, welche unterschiedlichen Wege Terry und Sammy seitdem eingeschlagen haben. Er, der verantwortungslose Vagabund, sie, die zuverlässige Angestellte und liebevolle Mutter - die Rollen scheinen klar verteilt und von allen akzeptiert. Als Terry dann doch beschließt, vorerst bei Sammy und Rudy in Scottsville zu bleiben, ist das die Chance, sich neu kennenzulernen.

Lonergan rückt von hier an Sammys Sohn Rudy ganz in den Mittelpunkt, um den herum alte Muster aufbrechen. Einfühlsam und ohne dick aufgetragene Gefühligkeit schildert er, wie Terry und der Kleine eine spröde Freundschaft aufbauen, die völlig ohne "I love you" und andere Verbundenheitsschwüre auskommt. Sammy, die ihren erwachsenen Bruder zuerst kaum anders als ihren Sohn behandelt, findet nach und nach den Mut, sich Schwächen einzugestehen, vor allem in ihren Beziehungen zu Männern.

Daß diese voller Understatement und kluger Menschenkenntnis erzählte Geschichte kein simples Happy End verträgt, versteht sich von selbst. So läßt Lonergan Terry schließlich doch im Bus verschwinden, aber mit der Hoffnung, daß nicht wieder Jahre bis zum nächsten Besuch vergehen.

Originaltitel: YOU CAN COUNT ON ME

USA 2000, 109 min
Verleih: Movienet

Genre: Drama, Schicksal

Darsteller: Laura Linney, Mark Ruffalo, Rory Culkin, Matthew Broderick

Stab:
Regie: Kenneth Lonergan
Drehbuch: Kenneth Lonergan

Kinostart: 19.04.01

[ Sylvia Görke ]